Sämi mit Beraterin Sandra im Garten

Sämi hat nun auch eine Stimme

Ein iPad von Active Communication ist für Sämi Wüthrich aus dem Berner Seeland das ideale Kommunikationshilfsmittel. Der Zwölfjährige ist ein versierter Anwender – und sorgt innerhalb der Familie für Entschleunigung.

Am Küchentisch herrscht Betrieb. Sämi reiht Puzzleteile an Puzzleteil, am Ende ergibt sich das Bild einer Stadt mit Strassen und Gebäuden. Als das Werk steht, ist der kleine Architekt sichtlich zufrieden.

Neben ihm sitzt Rilana Wüthrich, die Mutter des Buben, der mit dem Joubert-Syndrom zur Welt gekommen ist, das heisst: mit einer Fehlbildung des Kleinhirns. Nach der Geburt im Kantonsspital Winterthur atmete der Bub unregelmässig, der Sauerstoffsättigung mangelte es an Konstanz. Die Diagnose ergab sich durch einen Ultraschall und ein MRI des Gehirns.

2017 erhält er das erste iPad

Als er 2017 in den Kindergarten kommt, erhält er das erste Hilfsmittel, das dem Fünfjährigen ermöglicht, sich mit seinem Umfeld zu unterhalten. Es handelt sich um ein iPad, das er vor allem einsetzt, wenn er die elterliche Wohnung in Busswil im Berner Seeland verlässt. Inzwischen besucht Sämi die Sonderschule der Stiftung Aarhus in Bern und ist in seiner Klasse nicht der Einzige, für den das Tablet eine überaus wertvolle Unterstützung ist. Im schulischen Umfeld wird ihm die Zeit gegeben, um seine Gedanken zu äussern. Er traut sich dank dem Tablet mehr, sich im Unterricht zu melden.

Sämi Wüthrich mit seinem iPad mit Fingerführraster
Sämi Wüthrich mit seinem iPad

Mit dem Tablet kommuniziert Sämi nicht nur, es dient ihm auch dazu, schulische Inhalte zu bearbeiten. Er kann zum Beispiel mit einer externen Tastatur Texte schreiben – wobei er Buchstabe für Buchstabe tippen muss, um ein Wort zu bilden.

Auch dank der Sonderschule funktioniert der Umgang mit dem iPad, der mit der Kommunikationssoftware TD Snap ausgestattet ist, tadellos. Das demonstriert Sämi, als er eine Frage beantworten soll. «Wie alt bist du?» Er tippt auf die «1», dann auf die «2», den Rest erledigt der Talker: «Zwölf.» Ein Fingerführraster erleichtert die Bedienung, um die Symbole auf dem Bildschirm besser zu treffen.

Das Lob von AC-Beraterin Sandra Wüst

«Sämi hat sich von Anfang an sehr für das iPad interessiert», sagt Sandra Wüst. Beraterin von Active Communication, «als ich später einmal für ein Update des Geräts bei den Wüthrichs vorbeischaute, wollte Sämi wissen, was ich genau mache.» Eine wichtige Rolle im ganzen Prozess spielen die Eltern, die ihren Sohn unterstützen und die, so sagt es Sandra Wüst, «eine beeindruckende Ausdauer haben».

«Es ist nie selbstverständlich, dass ein Kind gesund zur Welt kommt, für Sämi war dieser Plan vorbestimmt.»

Rilana Wüthrich, Mutter

Für Rilana Wüthrich ist die Betreuung von Sämi ohnehin nichts Aussergewöhnliches. Als ausgebildete Heil- und Sozialpädagogin hat sie ausreichend Erfahrung im Umgang mit körperlich sowie geistig beeinträchtigten Menschen. «Es ist nie selbstverständlich, dass ein Kind gesund zur Welt kommt», sagt sie, «für Sämi war dieser Plan vorbestimmt. Gott hat das so gewollt. Wir nehmen das so an.»

Rilana Wüthrich beklagt sich nicht, im Gegenteil. Sie, ihr Mann und die zwei Geschwister kümmern sich liebevoll um Sämi, wenn er nicht gerade in der Schule ist. Die Familie kann in ihrer Freizeit mit ihm kein dichtes Programm bewältigen oder spontan etwas unternehmen, weil es einige Zeit in Anspruch nimmt, Sämi beispielsweise für einen Ausflug «parat» zu machen. «Er sorgt für Entschleunigung», sagt Rilana Wüthrich, «das ist für uns alle positiv. Ausserdem mussten wir unseren Kindern nie beibringen, was es heisst, füreinander da zu sein. Sie bekamen das Denken, nicht egoistisch zu sein und aufeinander Rücksicht zu nehmen, automatisch mit.» Das kann Michal, die ältere Schwester, nur bestätigen. Für sie ist ihr Bruder «eifach dr Sämi», wie sie auf Berndeutsch sagt: «Dank ihm habe ich gelernt, geduldiger zu werden.»

Sämi mit seiner Mutter
Sämi mit Beraterin Sandra

Dankbar für die grosse Unterstützung

Michal versteht das meiste, das Sämi ihr allein mit Gesten mitteilen will. Unverzichtbar ist das iPad aber, wenn mit Fremden kommunizieren oder etwas schreiben möchte. «Ohne das iPad wäre er enorm eingeschränkt», sagt Rilana Wüthrich, «wir sind sehr dankbar für dieses Hilfsmittel und den Support durch die Active Communication.» Ausserdem wird Sämi in seiner Schule optimal unterstützt und gefördert, um sein iPad möglichst gut zu nutzen.

Und was ist das Coole am Gerät? Sämi tippt auf den Bildschirm, am Ende sagt der Talker: «Reden.» Das iPad ist seine Stimme, wobei er viel Energie investieren muss, um eine Botschaft zu formulieren. Bis er etwas mitgeteilt hat, dauert das rund 40-mal länger, als wenn man den Satz lautsprachlich ausgedrückt hat.

«Es gibt Menschen, die Geduld haben und warten, bis Sämi seine Gedanken am iPad geordnet hat», sagt Rilana Wüthrich, «er ist ein sehr feinfühliger Bub, der merkt, ob sich das Gegenüber interessiert. Ist das nicht der Fall, löscht es ihm ab, und er hört auf, den Satz zu Ende zu schreiben.»

Sämi ist ein aufgeweckter Junge, der es lebhaft mag, der Spiele liebt, gerne Filme schaut und sich auch vor öffentlichen Auftritten nicht scheut. Als an der Museumsnacht Mitte März im Historischen Museum Bern ein Kinderbuch vorgestellt wurde, übernahm Sämi Wüthrich auf der Bühne eine aktive Rolle. Die Hauptfigur im Buch ist ein Junge, der im Rollstuhl sitzt und mit dem iPad kommuniziert. Beim Nacherzählen der Geschichte übernahm Sämi diesen Part, sprach mit seinem iPad die Sätze des Protagonisten – und fühlte sich in seiner Rolle pudelwohl.

Text: Peter Birrer

Fotos: Adrian Baer

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