Angela Fallegger an der Kletterwand, gesichert von einer Kollegin am Boden.

Das Klettern gibt ihr ein gutes Gefühl

Angela Fallegger wagt sich an steile Wände. Und spürt, wie der Sport die Lebensqualität steigert.

Text: Peter Birrer
Fotos: Franca Pedrazzetti, zVg; CH Media Christ Iseli

Sie hat sich nie davor gescheut, Neues auszuprobieren. Erst recht nicht, wenn es um Sport geht. Aber leise Skepsis befiel Angela Fallegger schon, als sie 2019 diesen Flyer in den Händen hielt. «Klettern für alle» stand drauf – PluSport bewarb damit ein inklusives Klettertraining. Wie soll das für eine Person mit Querschnittlähmung funktionieren? Kletterwand und Rollstuhl, ist das nicht eine seltsame Kombination?

Ohne grosse Erwartungen meldet sie sich an, sie will es «einfach mal ausprobieren». Sie ist ein Bewegungsmensch, dem weder physische Herausforderungen noch die Höhe zusetzen.

Nicht nur Verständnis bekommen

Vier Jahre später ist aus der Anfängerin eine begeisterte Sportlerin geworden, die zum Schweizer Paraclimbing-Nationalteam gehört. Ihr Können hat sie bereits auf prominenter Bühne demonstriert: Fallegger startete Anfang August an den Weltmeisterschaften in Bern, wo die Wettkämpfe im Climbing und Paraclimbing erstmals an einem gemeinsamen Grossanlass ausgetragen wurden.

Als sich Angela Fallegger entschloss, den Aufwand fürs Klettern zu intensivieren, gab es nicht nur Verständnis. 2015 hatte sie sich bei einem Gleitschirmunfall bereits einen Bruch des Rückens zugezogen – und nun will sie das Glück wieder herausfordern? «Solche Stimmen gab es durchaus», sagt sie, «aber das lasse ich an mir abprallen.»

Die 33-Jährige, die sich in der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung als Peer-Beraterin zu vierzig Prozent um andere Betroffene kümmert, klettert ausschliesslich in der Halle in der Disziplin Lead – sie ist also stets gesichert. «Ich habe das grösste Vertrauen in die sichernde Person», sagt Angela Fallegger. «Wir machen vor jeder Route einen Partnercheck, um die Risiken so klein wie möglich zu halten.»

Angela Fallegger an der Kletterwand.

«Ich habe das grösste Vertrauen in die sichernde Person.»

Angela Fallegger

Sport mit therapeutischer Wirkung

Das Klettern gibt ihr ein gutes Gefühl. Wenn sie eine Schlüsselstelle meistert, wirkt sich das automatisch auf das Selbstbewusstsein aus. «Der Sport steigert meine Lebensqualität und meine psychische Stabilität», sagt die Obwaldnerin. «Er hat auch eine therapeutische Wirkung: Meine körperliche Verfassung wird zunehmend besser. An der Wand muss jeder intakte Muskel mithelfen, damit ich hochkomme. Und über bestimmte Bewegungsabläufe kann der Oberkörper viele Defizite der Beine kompensieren.» Damit erleichtere das Klettern auch ihren Alltag: «Das ist mir wichtiger als jede Medaille.»

  • Sportpsychologe Jörg Wetzel sagt, was Menschen mit einer Querschnittlähmung antreibt, auch riskantere Sportarten zu betreiben. Und wieso er das richtig findet.

    Jörg Wetzel, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Menschen mit Querschnittlähmung an einer Kletterwand sehen oder in einem Skatepark?
    Dann bin ich beeindruckt. Diese Menschen verlassen ihre Komfortzone und sagen sich: So, weiter gehts! Ich schaue ihnen staunend, mit Freude und Respekt zu. Auch sie haben das Recht, solche Sportarten zu betreiben. Ich finde das super.

    Andere bringen nicht so viel Verständnis auf.
    Vermutlich sind das Leute, die Menschen mit einer Beeinträchtigung nicht als gleichwertig oder eigenständig wahrnehmen können. Weil sie auf ein sichtbares Hilfsmittel wie den Rollstuhl angewiesen sind, muten sie ihnen nicht mehr zu, leistungsfähig zu sein.

    Weshalb meinen solche Leute, Tipps geben zu müssen, wie sich eine betroffene Person verhalten soll?
    Ich denke, dass es sich dabei um dieselben Personen handelt, die auch einem Fussballtrainer die Mannschaftsaufstellung erklären wollen. Solche Ratgebenden sprechen Menschen mit einer Beeinträchtigung das Recht auf Selbstbestimmung ab und sind deshalb ziemlich intolerant. Wenn aber jemand in ihrem Bekanntenkreis bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, verzichten sie selbst nicht darauf, weiterhin Auto zu fahren.

    Worin liegt der Reiz, sich beim Sport gewissen Risiken auszusetzen?
    Das kann damit zu tun haben, wo man aufwächst, welche Gewohnheiten einem mitgegeben werden oder welche Traditionen in der Familie gepflegt werden. Es geht auch um die Lust, die eigene Leistungsfähigkeit auszuloten oder sich mit anderen Menschen zu messen. Ein weiterer Faktor ist die Kompetenz, diesen Sport überhaupt ausüben zu können. Wenn das zu einem Lustgewinn führt und Emotionen auslöst, ist es nachvollziehbar, dass man auch mit einer Beeinträchtigung einen Sport betreibt, der vielleicht Risiken birgt.

    Wo fangen die Risiken an?
    Die zentrale Frage ist: Was ist überhaupt eine Risikosportart? Gehört auch Fussball dazu? Oder Skifahren? Die Statistik zeigt, wie viele Unfälle und Verletzungen dabei auftreten. In Sportarten, die als risikobehafteter gelten, wird verstärkt auf die Sicherheit geachtet, um die Gefahr von Unfällen zu reduzieren.

    Sehen Sie trotz allem auch Grenzen?
    Wo die Grenzen liegen, das kann einzig die Person beurteilen, die sich der sportlichen Herausforderung stellt. Wenn man von Grenzen spricht, reden wir auch von Begrenztheit. Der Gradmesser muss das eigene Wohlbefinden sein. Es leidet dann, wenn sich die Sicherheit nicht mehr gut einschätzen lässt. Aber das gilt für alle Menschen, ob sie nun im Rollstuhl sitzen oder zu Fuss unterwegs sind.

    Worin liegt die Motivation, überhaupt einen Sport zu betreiben?
    Wer Sport treibt, setzt sich Ziele. Das ist wichtig für die mentale Ausgeglichenheit und Gesundheit der Person. Und es stärkt das Selbstbewusstsein, den Selbstwert, die innere Ruhe, die Resilienz und Achtsamkeit. Drei Motive sind darüber hinaus entscheidend: Erstens die Selbstbestimmung: Was will ich tun – welche Kletterroute möchte ich zum Beispiel wählen? Zweitens die Lust, mit Kolleginnen und Kollegen in einem Teamsport Spass zu haben. Und drittens möchte ich mich in einer Sportart als kompetent wahrnehmen und bin bereit, dafür etwas zu leisten.

Normalerweise trainiert Angela zweimal wöchentlich, meistens in der Kletterhalle Root (LU). Sie zählt sich nicht zu den ausgeprägtesten Wettkämpferinnen, und doch wagt sie sich gern an heikle Routen. Grenzen ausloten, Grenzen verschieben – das ist auch für Angela Fallegger ein Thema. Dafür nimmt sie in Kauf, dass sie für einen grossen Teil der Trainingskosten in Root selber aufkommen muss.

Der Sport eröffnet ihr neue Perspektiven und bietet Möglichkeiten, auch ausserhalb der Schweiz an Wettbewerben zu starten. Im Mai reiste sie mit dem Nationalteam nach Salt Lake City, im Juni standen Wettkämpfe in Innsbruck an. Die Frage, ob Klettern und Rollstuhl zusammenpassen, stellt sich für die junge Sportlerin längst nicht mehr.

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