«Das Leben bietet mir auch als Paraplegiker so viele Möglichkeiten.»
Ferdinand Pulver hätte sich früher als Fussgänger nie ein Leben im Rollstuhl vorstellen können. Doch er wurde eines Besseren belehrt.
Als Ferdinand Pulver nach seinem schweren Motorradunfall aus dem Koma erwachte, wurde er durch eine Maschine beatmet und konnte sich nicht bewegen. Er rechnete damit, bald zu sterben. Doch er überlebte und ein langer Kampf begann. Wie hat er die Rehabilitation erlebt und wie hat sich sein Leben seit dem Unfall verändert?
Text: Renate Huber
Bilder: Walter Eggenberger / Ferdinand Pulver / zVg.
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Seit seinem Motorradunfall am 30. April 2007 ist Ferdinand Pulver querschnittgelähmt. Doch dies war nach seinem Unfall das vorerst kleinste Problem für den Basler. Er erwachte aus dem Koma, wusste nicht, wo er war, wurde künstlich beatmet und konnte sich nicht bewegen. Mehrere Tage rechnete Ferdinand damit, dass er nicht überleben würde. Als er nach vier Wochen Intensivstation sein Zimmer für die kommende Rehabilitation besichtigen konnte, wurde ihm bewusst: «Ich habe überlebt, nun mache ich etwas daraus!» Lesen Sie hier den Teil 1 der Geschichte von Ferdinand Pulver.
«Ich habe Nottwil bewusst gewählt»
Ferdinand Pulver gelangte für die Rehabilitation (Reha) auf eigenen Wunsch nach Nottwil ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ). «Die Vorstellung, während der neunmonatigen Reha so nahe von zu Hause zu sein und nicht dorthin gehen zu können, hätte mich zu sehr gequält.» Anhand der vielen Besucher während seiner Zeit in Nottwil wurde ihm bewusst, was es bedeutet, ein soziales Umfeld zu haben. Dies habe ihm sehr geholfen. «Trotzdem war es eine schwere Zeit in Nottwil», erzählt Ferdinand. Die Rehabilitation hat er als harte Arbeit in Erinnerung – psychisch wie physisch. Oftmals sei es ein "Krampf", verbunden mit schlechter Laune gewesen. Man wurde nicht geschont und musste bis ans Limit gehen. «Doch zu wissen, ich habe überlebt, hat mir während der schweren Zeit in der Rehabilitation sehr geholfen.»
Dennoch zieht der Basler eine positive Bilanz und ist dankbar dafür. «Ich wäre heute nie so selbstständig, wenn ich nicht durch diese harte Reha hätte gehen müssen», sagt Ferdinand und ergänzt: «Relevant ist, wie es jetzt ist und nicht, was damals war». Ferdinand Pulver würde jederzeit wieder die Reha in Nottwil absolvieren und erklärt: «Das nicht-spitalartige Ambiente im SPZ und die Aussicht auf den See und die Berge machen es den Besuchern einfach, hierher zu kommen. Anders als andere Kliniken ist das SPZ bis 22 Uhr geöffnet, so können auch abends Besucher empfangen werden. Verschiedene Vereine trainieren in der Turn- oder Schwimmhalle. Gerade für Patienten ist dieser Betrieb am Abend, wenn sich die Gedanken zu kreisen beginnen, enorm wichtig.»
Ferdinand Pulver hat seine Reha bewusst auf neun Monate begrenzt, da er sich als selbständiger Grafiker um seine Kunden kümmern musste. Seinen Beruf konnte er auch nach seinem Unfall ausüben. «Zum Glück musste ich beruflich nicht auch noch bei null beginnen.» Sein jetziges Haus suchte er vom Spitalbett aus und plante den rollstuhlgerechten Umbau mit den Architekten des Zentrums für hindernisfreies Bauen. Bei seinem Unfall war Ferdinand Mitglied bei der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. «Ich würde dies jedem wärmstens empfehlen. Mit der Auszahlung der Gönner-Unterstützung konnte ich mir mein neues Haus rollstuhlgängig umbauen.»
Sohn Felix, damals 2-jährig, kann sich noch erinnern
Die Beziehung mit seiner damaligen Partnerin und Mutter seines Sohnes Felix hielt der Belastungsprobe nicht stand. «Wenn man nach so einem Schicksalsschlag nach Hause fährt, ist man sehr gereizt, empfindlich, am Limit» erklärt Ferdinand. Ist eine Beziehung dann bereits vorbelastet, sei dies für alle Beteiligten sehr schwierig. Die Beziehung zu seinem Sohn jedoch wurde durch den Unfall noch weiter verstärkt. Sein Sohn Felix war damals zwei Jahre alt und hat sogar noch Erinnerungen an diese Zeit in Nottwil. «Es war eine schwierige Erfahrung für ihn, aber sie hat uns einander auch viel näher gebracht.» Durch den Unfall von Ferdinand habe Felix eine enorme Sozialkompetenz erlangt. Es sei ihm bewusst, was es bedeute, seinem Vater behilflich zu sein und Rücksicht aufeinander zu nehmen.
Wie hat sich das Leben als Rollstuhlfahrer für Ferdinand Pulver verändert?
«Als Rollstuhlfahrer wird man nicht zu einem anderen Menschen», betont Ferdinand. Aber man werde von der Gesellschaft anders wahrgenommen. Wie äussert sich das? «Mit meinen 1.90 m habe ich vor dem Unfall auf die Menschen beim Sprechen hinuntergeschaut. Nun ist es umgekehrt. Ich bin jeweils in der Sitzposition und teilweise spricht man mit mir in der ‚jöö-es-chond-denn-scho-guet-Art‘. Es seien ganz kleine Nuancen in der Sprechweise, die ihm dieses Gefühl vermitteln, anders zu sein. Trotzdem begegne man ihm mit sehr viel Wohlwollen. «Man muss nur nach Hilfe fragen, dann helfen die Menschen gerne.»
Der Basler sagt, dass er sich als Fussgänger ein Leben im Rollstuhl nie hätte vorstellen können. Aber das Leben als Paraplegiker habe viel mehr Qualität, als man denkt. Ferdinand Pulver hat durch seinen Unfall gelernt, Hilfe anzunehmen, er ist gelassener und geduldiger geworden. «All diese Erfahrungen durch den Unfall und das Wissen, dass ich überlebt habe, haben mich enorm bereichert und mich im Leben weitergebracht.»
Eine Querschnittlähmung führt zu hohen Folgekosten, z.B. für den Umbau des Autos oder der Wohnung. Werden Sie deshalb Mitglied bei der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, um im Ernstfall 250 000 Franken zu erhalten.
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Ferdinand Pulver beantwortet hier im Video weitere Fragen:
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