At Eye Level
Auf Augenhöhe mit Rollstuhlfahrer*innen. Erleben Sie den Alltag eines Menschen im Rollstuhl aus seiner Perspektive.
Die Welt von Querschnittgelähmten aus ihrem Blickwinkel
Stellen Sie sich vor, Sie müssen Ihren Alltag im Sitzen bestreiten. Wie sähe er aus? Könnten Sie als Para- oder Tetraplegiker*in Ihren aktuellen Beruf weiterhin ausüben? Im Rahmen der Perspektivenfilme der Schweizer Paraplegiker-Stiftung werden die Zuschauer*innen zum Thema Querschnittlähmung sensibilisiert und entdecken dabei neue Blickwinkel.
Im Kurzfilm «At Eye Level» wurden die Aufnahmen auf Augenhöhe von Querschnittgelähmten gedreht. Der Film zeigt, wie Menschen im Rollstuhl in verschiedenen Ländern ihren Tagesablauf gestalten. Reisen Sie mit uns einmal um die Welt und erfahren Sie spannende Einblicke in den Alltag eines Querschnittgelähmten – aus der Sicht im Rollstuhl.
Die Protagonisten erzählen Ihre Geschichten
Die 27-Jährige Georgia Kaltsi ist seit einem folgenschweren Verkehrsunfall im Jahr 2015 auf den Rollstuhl angewiesen. Obwohl die Ärzte nur eine einprozentige Überlebenschance prognostizierten, erholte sie sich rasch und ihre Situation verbesserte sich stetig. Ihren Lebensstil konnte sie trotz Querschnittlähmung schon bald wieder autonom gestalten.
«Menschen mit Beeinträchtigungen sind jeden Tag mit Schwierigkeiten konfrontiert»
Trotz der zurückgewonnenen Selbstständigkeit ist Georgia in ihrem Alltag zahlreichen Problemen ausgesetzt. Vor Allem die oft mangelhafte Barrierefreiheit ist aus ihrer Sicht eines der grössten Hindernisse. Auch Behindertenparkplätze oder rollstuhlgängige Toiletten sind nur beschränkt in Griechenland vorhanden.
Der Staat bietet Georgia Unterstützung an. Jeden Monat erhält sie eine Summe, um ihren täglichen Finanzbedarf zu decken. Auch beim Beschaffen oder Reparieren von Rollstühlen erhält sie alle fünf Jahre 1000 Euro Rabatt. Hilfe bei der Anfertigung wird jedoch selten geleistet. «Fast immer muss man die meisten Dinge selbst erledigen.»
Ihre Einstellung zum Leben änderte sich trotz Einschränkungen im Alltag nicht. «Ausser, dass ich jetzt alles im Sitzen erledige», fügt sie an. Noch heute spielt sie in ihrer Freizeit gerne Basketball. Auch mit dem Auto ist sie bis heute unterwegs. Nach ihrer Verletzung engagierte sie sich in Griechenland als Motivationsrednerin und Trainerin für Menschen mit Behinderungen. Durch ihre aktive Teilnahme an der Gesellschaft fühlt sie sich akzeptiert und integriert.
Obwohl Kim Cúc praktisch schon ihr ganzes Leben querschnittgelähmt ist, hat sie erst vor 25 Jahren einen Rollstuhl erhalten. «Ich kroch nur über den Boden», erinnert sie sich. Ihren ersten Rollstuhl bekam sie damals von der Regierung. Dieser passte jedoch nicht zu ihrem Körper und versprach daher nicht die erhoffte Unterstützung. Erst nach einem Besuch im Spital erhielt sie einen passenden Rollstuhl, mit dem sie sich bis heute fortbewegt.
«Ich war oft traurig und habe meine Selbstachtung verloren.»
Kim Cúc fühlt sich nicht als Teil der vietnamesischen Gesellschaft. Sie hadert damit, dass sie nicht genau so ist, wie alle anderen. Wenn Passanten nicht auf derselben Augenhöhe mit ihr kommunizieren, fühlt sie sich klein. Aufgrund der Querschnittlähmung kann sie ihren Lebensunterhalt nur mit dem Verkauf von Lotterielosen verdienen - eine harte Arbeit für wenig Lohn. Umgerechnet erhält sie für einen Arbeitstag gerade einmal drei bis fünf US-Dollar.
Ihre Ziele lässt sie trotzdem nicht aus den Augen. Mit ihrem Job als Losverkäuferin möchte sie genügend Geld ansparen, um in Zukunft besser abgesichert zu sein. «Falls einmal etwas schief geht», meint sie.
Die Reise geht weiter ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Doch gilt dies auch für Rollstuhlfahrer*innen? Die Geschichte von Quemuel Arroyo versucht eine Antwort zu geben. Aufgrund einer zugezogenen Wirbelsäulenverletzung beim Downhill-Biken im Herbst 2007 ist er im Alltag auf einen Rollstuhl angewiesen. Zu Beginn haderte er mit seinem Schicksal. «Ich hatte vor allem Angst. Ich wusste nicht mehr, wohin ich gehöre, ob ich wieder Freunde finden würde und ob ich jemals ein Date haben würde.» Nach der Reha verbesserte sich seine Situation. Da er beruflich tätig war und eine gute Krankenversicherung hat, wurde ihm ein besonders leichter Rollstuhl aus Titan bezahlt. So konnte er ein Stück Unabhängigkeit zurückgewinnen.
«Ich muss mir meine Hindernisse selbst aus dem Weg räumen»
In die Gesellschaft integriert, fühlt er sich dadurch aber nicht. Vielmehr ist er der Auffassung, dass er kein vollwertiges Leben hat und dass ihn seine Beeinträchtigung von allen anderen unterscheidet. Treppen sind für ihn unüberwindbare Hürden im Alltag. In den Bars sind die Tische zu hoch und die Tresen normalerweise unerreichbar. «Es gibt auch kaum Bars oder Restaurants, in denen ich eine barrierefreie Toilette finde», ergänzt Quemuel. Mit der Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation spricht er jeweils die Betreiber*innen auf seine Diskriminierung an. Dass er nicht mit Fussgänger auf einer Augenhöhe kommunizieren kann, stört ihn normalerweise nicht. «In einigen seltenen Fällen kann es herablassend wirken.»
In der Schweiz wird die Geschichte von Bastien Murith (26) vorgestellt. Seit einem Badeunfall im Jahr 2018 ist er Tetraplegiker. Dieser Schicksalsschlag hat sein persönliches Leben stark verändert. «Ich bin nicht mehr Spitzensportler, sondern Sachbearbeiter.» Unterstützung erhält Bastien von der Unfallversicherung. Er erhielt beispielsweise einen für ihn angepassten Rollstuhl. Die Invalidenversicherung (IV) sorgt dafür, dass seine alltäglichen Ausgaben gedeckt sind.
«Ich fühle mich sehr integriert»
Auch Bastien muss in seinem Alltag ständig neue Herausforderungen bestehen. Er merkt aber, dass sich seine Umwelt auf Personen im Rollstuhl langsam anpasst. «Es gibt immer mehr Wege, die rollstuhlgängig sind. Es kostet aber Zeit.» Als Tetraplegiker muss er so für alltägliche Dinge immer mehr Zeit einplanen.
Bastien fühlt sich in die Gesellschaft integriert. Er ist sehr aktiv im Behindertensport und trainiert bis zu 14 Stunden pro Woche. Sein grösster Wunsch ist, dass der Behindertensport so bekannt wie der normale Sport wird. Dass er nicht auf Augenhöhe mit Fussgänger*innen kommunizieren kann, stört ihn nicht. «Für mich spielt es ehrlich gesagt keine Rolle. Klar, es gibt Nackenschmerzen vom ständigen Hochschauen – aber das ist ja nicht so schlimm.»
Estela Aguilar Ruiz wurde mit einem offenen Rücken (Spina bifida) geboren. Seit acht Jahren ist sie deshalb auf einen Rollstuhl angewiesen. «Es hat eine Weile gedauert, bis ich den richtigen Rollstuhl für mich gefunden hatte», erinnert sie sich. Aufgrund ihrer Beeinträchtigung zog sie in die Hauptstadt Mexico City. Ihrer Meinung nach kann man ausserhalb der Grossstädte aufgrund der täglichen Schwierigkeiten kein normales Leben führen. Unterstützung vom Staat kriegt sie nicht. Nur Spenden erhält sie vereinzelt von NGO's (Non Government Organization).
«Wenn das Personal mir die Türen öffnen sollte, ist oft niemand da.»
Doch auch in einer Grossstadt wie Mexico City gibt es für Estela grosse Herausforderungen im Alltag. Insbesondere die nicht vorhandene Barrierefreiheit in den öffentlichen Verkehrsmitteln stellt für sie täglich ein Problem dar. Auch Toiletten sind in öffentlichen Räumen häufig nicht an die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrer*innen angepasst. Estela hielt dies nicht auf. «Es hat lange gedauert, aber jetzt kann ich sehr unabhängig sein. Einfach war es nicht – aber ich habe gelernt, dass ich auch über mich hinauswachsen kann.»
Ihre Erfahrung teilt sie gerne mit anderen querschnittgelähmten Personen. Vor allem jenen, welche noch nicht unabhängig ihren Alltag gestalten können. «Ich würde gerne auch weiterhin anderen Menschen helfen und ihnen zeigen, was sie in einem Rollstuhl alles tun können», sagte sie. So trifft sie sich im Rahmen ihrer Arbeitsstelle täglich mit betroffenen Personen und lehrt ihnen den Umgang mit dem Rollstuhl. «Ich habe hier nicht nur entdeckt, was ich alles tun kann, sondern auch, dass ich dieses Wissen an andere weitergeben kann.»
Die letzte Geschichte behandelt das Schicksal von Fariba Asgari. Bei einem Autounfall stürzte ihr Wagen mitsamt Insassen eine Klippe hinunter. Drei Angehörige ihrer Familie starben - sie verletzte sich irreversibel an der Wirbelsäule. Seither sitzt sie im Rollstuhl. Zu Beginn hatte Fariba grosse Schwierigkeiten. Oft ist sie mitten auf der Strasse aus dem Rollstuhl gefallen. Entscheidend war für sie die Zeit in der Reha, in der sie neue Hoffnung schöpfen konnte. «Sie ebnete mir den Weg zum Erwerb neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es gibt dort sogar eine kleine Universität, an der ich jetzt studiere.»
«Ich habe hart daran gearbeitet, um mich wieder in die Gesellschaft zu integrieren»
Nach ihrem Unfall wollte Fariba schnell wieder zur Gesellschaft gehören. «Ich bin ein ausgesprochen geselliger Mensch und es war mir sehr wichtig, mein soziales Leben aufrecht zu erhalten.» So kennt sie in Teheran mittlerweile alle Orte, die barrierefrei sind. Viele sind es jedoch nicht. «Teheran ist überhaupt keine rollstuhlgängige Stadt. Viele der Coiffeursalons, Regierungsgebäude und sogar die Schule meines Sohnes sind nicht barrierefrei», fügt sie hinzu. Ihre grosse Leidenschaft ist die sportliche Betätigung. In verschiedensten Disziplinen hat sie bereits Wettkämpfe für sich entscheiden können. Zudem ist sie Schiedsrichterin im Gewichtheben.
In Teheran endet die Reise um die Welt. Im Rahmen der Perspektivenfilme der Schweizer Paraplegiker-Stiftung können Sie aber noch weitere, spannende Einblicke in den Alltag von querschnittgelähmten Menschen erhalten. «At Eye Level» ist nur einer von vier Perspektivenfilmen. Sie zeigen Menschen im Rollstuhl in verschiedenen Situationen mit dem Ziel, die Zuschauer*innen zum Thema Querschnittlähmung zu sensibilisieren. Die Filme laden Sie dazu ein, die Thematik aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Eine Querschnittlähmung führt zu hohen Folgekosten, z.B. für den Umbau der Wohnung oder des Autos. Werden Sie deshalb Mitglied der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, um im Ernstfall 250 000 Franken zu erhalten.
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