Ein versehentlicher Schuss in der Rekrutenschule machte den damals 20-Jährigen zum Paraplegiker.

«Heute geht es mir gut bis sehr gut.»

Seit ihm in der Rekrutenschule ein Kollege aus Versehen in den Bauch schoss, ist Jonas Beglinger querschnittgelähmt.

Grenzen ausloten, Unmögliches möglich machen.

Als ihm in der Rekrutenschule ein Kollege aus Versehen in den Bauch schoss, glaubten die Ärzte nicht, dass Jonas Beglinger das überleben würde. Heute geht es dem 45-jährigen Landschaftsarchitekten «gut bis sehr gut». Trotz dem täglichen Kampf gegen chronische Schmerzen bezeichnet sich der Paraplegiker als sonniges Gemüt. Sein Motto: Grenzen ausloten, Unmögliches möglich machen. 

Text: Robert Bossart
Bilder: Beatrice Felder / zVg

In der 13. Woche der Rekrutenschule im Jahr 1993 im bündnerischen Serneus passierte es: Der Zug von Jonas Beglinger schoss mit scharfer Munition auf Scheiben. Wegen organisatorischen Problemen musste die Übung abgebrochen werden. Jonas hatte die Ski schon an, um den Gefechtsplatz zu verlassen. Er hörte einen lauten Knall und spürte, wie es ihm die Füsse unter dem Boden wegzog und er nach hinten fiel. Bei einem seiner Kollegen hatte sich versehentlich ein Schuss gelöst, der Jonas Beglinger aus nächster Nähe in den Bauch traf. «Ich wusste sofort, dass ich gelähmt war. Aber ich ging in diesem Moment davon aus, dass ich das nicht überlebe.»

Auch die Notfallärzte waren derselben Ansicht. Noch nie hatten sie erlebt, dass jemand mit solchen Verletzungen durchkommt. Doch Jonas Beglinger hat ein Herz wie ein Stier und ist dementsprechend kämpferisch.

 

«Ich wusste sofort, dass ich gelähmt war. Aber ich ging in diesem Moment davon aus, dass ich das nicht überlebe.»

Der emotionale Weg zurück

Fünf Bauchoperationen und zwei Monate später ist der einst kräftige Mann von 75 auf 40 Kilogramm abgemagert. Er wird zur Erstrehabilitation nach Nottwil verlegt. Psychisch ging es dem damals 20-jährigen nicht gut. Er hatte viele emotionale Schwankungen und dunkle Gefühle. Die ersten Jahre musste er intensiv an seiner mentalen Verfassung arbeiten. Traurigkeit zulassen, das war wichtig. Ein grosser Rückhalt war seine Familie, die ihm zur Seite stand. Aber auch die Anteilnahme von Freunden sei unglaublich gewesen. Daraus ergaben sich Freundschaften fürs Leben. «Ohne dieses Schicksal hätte ich so etwas wahrscheinlich nie erlebt.»

«Nottwil ist ein positiver Ort»

Der inkomplett gelähmte Paraplegiker lernt in Nottwil, wie er sein neues Leben als Querschnittgelähmter bewältigen kann. «Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in meinem Leben. Es ist eine fantastische Einrichtung.» Jonas ist regelmässig vor Ort, um in der Physiotherapie Übungen zur Stabilisierung und Kräftigung seine Rumpfes zu machen. Obwohl er seine schwierigste Zeit in Nottwil verbrachte, ist dies dennoch ein positiver Ort für ihn.

Attacken aus heiterem Himmel

Inkomplette Querschnittlähmung bedeutet im Fall von Jonas Beglinger, dass er das rechte Bein ganz leicht bewegen kann, im linken Bein hat er keinerlei Gefühl. Dort finden manchmal Attacken aus heiterem Himmel statt. Die heftigen Schmerzen kommen plötzlich, dauern meistens zwei bis drei Minuten an und verlaufen wie eine Welle. Mehrere Male pro Tag wird er von solchen Schmerzen heimgesucht, teilweise sind sie so stark, dass er erbrechen muss. Jonas Beglinger hat alles Erdenkliche versucht und ausprobiert, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Doch nichts hat geholfen. Manchmal habe er schon den «Morelli». Die Schmerzen schränken ihn mehr ein als die Querschnittlähmung selbst: «Es ist ein ständiger Kampf».

«Grenzen suchen und sie wenn möglich verschieben»

Hilfreich ist in solchen Momenten der Sport. Der Querschnittgelähmte kennt keine Grenzen. Sei es mit seinem Handbike, beim Schwimmern, mit dem Monoski auf der Skipiste oder auf der Langlaufloipe. Besonders das Mountain-Handbike hat es ihm angetan. Er liebt es, wenn es über Stock und Stein oder auch mal eine Treppe hinunter geht. Es komme natürlich auch mal vor, dass er «auf die Fresse falle». Das stört den 45-jährigen Glarner jedoch wenig, er liebt Herausforderungen und lasse sich schon gar nicht behindern – weder von Schmerzen noch von seinem Dasein als Paraplegiker.

Der querschnittgelähmte Jonas Beglinger bei seiner Arbeit als Landschaftsarchitekt.

Ein Grossteil der Arbeit eines Landschaftsarchitekten besteht aus Planen und Zeichnen. In seinem Büro zu Hause in Mollis (GL) kann er in Ruhe arbeiten.

Die Freude am Dasein

Der Landschaftsarchitekt lebt in einem neu gebauten Haus an prächtiger Hanglage, das er zusammen mit einem befreundeten Architekten entworfen hat. Eine grosszügige Fensterfront eröffnet freien Blick in die Natur. «Viel Licht, viel Raum und keine Hürden – das entspricht meinem Freiheitsbedürfnis.» Jonas Beglinger ist keiner, der sein Leben schön redet. Jahrelang habe er mit seinem Schicksal gehadert, aber heute lebe er ein zufriedenes, spannendes und erfülltes Leben. «Es geht mir gut bis sehr gut.» Mit seiner inkompletten Paraplegie kann er selbständig leben und ist auf keinerlei fremde Hilfe angewiesen. «Das hat für mich einen sehr hohen Stellenwert.» 

 

Jeden zweiten Tag wird ein Mensch in der Schweiz querschnittgelähmt.

Eine Querschnittlähmung führt zu hohen Folgekosten, z.B. für den Umbau der Wohnung oder des Autos. Werden Sie deshalb Mitglied der Gönner-Verenigung der Schweizere Paraplegiker-Stiftung um im Ernstfall 250 000 Franken zu erhalten.

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