«Ich kämpfe mich zurück ins Leben.»
Seit einem Fehltritt beim Bergwandern vor zweieinhalb Jahren ist Heidi Krebs querschnittgelähmt. Das Leistungsnetz der Schweizer Paraplegiker-Stiftung hilft ihr dabei, immer selbstständiger zu werden.
Sie könne keine typische Erfolgsgeschichte bieten, sagt Heidi Krebs. Zu kurz sei die Zeit seit ihrem Unfall. Die anpackende Frau aus dem Thuner Westamt zeigt uns aber, wie das Leistungsnetz der Schweizer Paraplegiker-Stiftung ihr hilft, immer selbstständiger zu werden.
Text: Stefan Kaiser
Bilder: Walter Eggenberger
Die Erinnerung ist zum Greifen nah. In Gedanken steht Heidi Krebs noch immer in der Backstube gleich neben ihrem Wohnhaus. Sie geniesst den Kontakt zu den Kunden im Dorf, die ihr frisches Brot, die Süsswaren und ihren Sonntagszopf lieben. Sie denkt an die vielen schönen Gespräche. An ihren Stand auf dem Wochenmarkt in Thun. «Es war ein tolles Gefühl, das alles gemacht zu haben», sagt sie mit leuchtenden Augen. «Die Bestätigung: Ich kann es!» Heidi Krebs erzählt, wie sie ihr eigenes Geschäft aufgebaut hat. Wie stolz sie war, ihre Ideen umzusetzen und auf eigenen Füssen zu stehen.
«Hurtig geht nicht mehr»
Bis ein Fehltritt beim Bergwandern diesen Lebenstraum zerstört hat. Geschickt manövriert die 49-jährige Paraplegikerin ihren Rollstuhl zum grossen Nussbaumtisch im Wohnraum ihres Hauses in Wattenwil (BE). Sie spricht von ihren ehemaligen Kunden: «Die Leute sagen ständig: ‹Fang doch wieder an. Du kannst das auch im Rollstuhl!› Aber es geht einfach nicht. Mein Leben ist komplizierter geworden. Ich kann nicht morgens um zwei Uhr aufstehen und bin parat. Ich brauche viel Zeit, bis ich nur schon angezogen bin.»
Der Entscheid, das Backen aufzugeben, ist ihr sichtlich schwergefallen. Doch Heidi Krebs weiss, dass sie sich im Rollstuhl nicht wieder so unter Druck setzen darf wie früher. «Hurtig geht nicht mehr», sagt sie im breiten Berndeutsch. Eine schwierige Situation für eine typische Macherin, die neben ihrem Job und dem Haushalt auch drei Kinder grossgezogen hat. In den Stolz über das Erreichte mischen sich ernste Gedanken. Ihren Zukunftsträumen muss sie noch etwas Zeit geben.
Nur dank Gönnerunterstützung
Am Nussbaumtisch findet das Familienleben statt. Heidis Mann, Benz Krebs (57), hat nicht nur den Tisch gebaut, sondern den gesamten barrierefreien Umbau des Hauses gemanagt. In jenen zehn Monaten, in denen seine Frau zur Rehabilitation von ihren schweren Kopf und Rückenverletzungen in der REHAB Basel lag. Die Zimmer wurden neu verteilt, die Türen verbreitert, der Balkon in den Wohnraum integriert, eine Terrasse ohne Schwellen angebaut. Das Paar kann jetzt kompakt auf einem Stockwerk zusammenleben, die drei Kinder Fabian (21), Selin (20) und Roman (17) bewohnen die übrigen Räume. «Benz musste den ganzen Umbau ohne mich planen und ausführen», sagt Heidi Krebs. «Aber für mich ist das Haus perfekt geworden.»
Für einen Fussgänger sei es schwierig, sich in den Alltag eines Querschnittgelähmten hineinzuversetzen und dessen Bedürfnisse auf einem Blatt Papier zu definieren. Benz Krebs und der Architekt hatten professionelle Unterstützung: Für die rollstuhlgerechte Planung erhielten sie wertvolle Tipps vom Zentrum für hindernisfreies Bauen ZHB der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung. Bei der gemeinsamen Begehung mit einem Bauexperten aus Nottwil und der Ergotherapeutin aus Basel wurde das Haus auf die Anforderungen von Heidi Krebs hin optimiert.
Es kam die nächste Hürde: Der geplante Umbau sprengte die finanziellen Mittel der Familie. Auch die IV stellte nur einen Teilbetrag in Aussicht. Weil die Familie jedoch Mitglied der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) ist, hatte Heidi Krebs Anspruch auf damals 200 000 Franken Gönnerunterstützung: «Seit rund dreissig Jahren sind wir Mitglieder; aus Solidarität mit den Betroffenen. Nie im Leben hätte ich geglaubt, einmal selber auf die Hilfe der anderen Gönner angewiesen zu sein.» Die Gönnerunterstützung machte den Umbau von Haus und Garten erst denkbar. Die Familie investierte zusätzlich eigene Mittel, doch ohne die Gönnerunterstützung hätte Heidi Krebs ihr Heim im Thuner Westamt verlassen müssen.
Unabhängig werden
Seit ihrem Wanderunfall in der Region Adelboden, bei dem sie eine steile Geröllhalde hinunterstürzte, sind jetzt zweieinhalb Jahre vergangen. «Ich habe mein neues Leben noch nicht im Griff», sagt die ehemalige Bäcker-Konditorin selbstkritisch. Sie kämpfe sich zurück und sei froh über die vielen kleinen Fortschritte, die sie mache. Aber noch seien etliche Schwierigkeiten ungelöst: «Auf andere angewiesen zu sein, ist für mich generell schwierig.» Ein grosses Stück Freiheit hat Heidi Krebs durch das Handbike zurückgewonnen, das sie sich dank einem Beitrag der Direkthilfe der SPS anschaffen konnte. «Ich liebe das Velofahren. Heute überhole ich sogar Benz auf seinem Mountainbike», sagt sie mit einem Augenzwinkern – ihr Handbike hat nämlich Elektrounterstützung.
Mehr Mühe als das Leben im Rollstuhl bereiten Heidi Krebs die körperlichen Einschränkungen, die man von aussen nicht sieht. So ist sie jeden zweiten Tag für die Körperpflege und das Darmmanagement auf die Spitex angewiesen. Damit die Spitexpflegerinnen auf ihre spezifischen Bedürfnisse als Querschnittgelähmte eingehen können, wurden sie vor Ort von Pflegefachpersonen der ParaHelp – einer Tochtergesellschaft der SPS – instruiert. Ihre Spitex-Betreuung möchte Heidi Krebs schrittweise reduzieren: «Es wäre ein Riesenfortschritt, wenn ich das alles selber bewältigen könnte. Dann könnten wir auch wieder einmal in die Ferien fahren.» Das wäre so ein offener Traum.
Die Selbstständigkeit naht
Um ihren Bewegungsradius zu erweitern, geht Heidi Krebs für einen Therapie- und Schulungsaufenthalt ans Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Sie will lernen, sich selber zu duschen. Auch das Thema Autofahren möchte sie in Nottwil angehen. Doch die Macherin stösst immer wieder an körperliche Grenzen, die ihren Vorwärtsdrang bremsen. Sie sagt: «Ich will auch beruflich wieder etwas anpacken. Aber ich kann noch nicht sagen, was für mich wirklich passt.» Ihren Garten hat sie bereits rollstuhlgängig gemacht und mit Hochbeeten ausgestattet. Dann erzählt sie von einem Ausflug aufs Niederhorn. Als ihre Kollegen den Weg von der Bergstation hinauf zur Spitze nehmen wollen, sagt sie: «Geht nur, ich warte hier.» Nach kurzer Zeit kommt die Gruppe zurück: «Du gehörst zu uns, wir lassen dich nicht da sitzen!» Alle hätten geholfen, dass sie es bis ganz nach oben schaffte. Ein prägendes Erlebnis: «Ich bin wie früher mit den Kollegen zusammen. Nicht abgeschoben, nicht auf den Rollstuhl reduziert – das war ein tolles Gefühl!» Die Augen von Heidi Krebs leuchten wieder. Wer die Kraft dieser Frau erlebt, hat keine Zweifel: Sie wird ihren Weg in die zweite Selbstständigkeit finden.
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