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«Kommunikation ist ein Schlüsselfaktor der Selbstbestimmung»

Seit Januar 2018 ist Active Communication ein Teil der Schweizer Paraplegiker-Gruppe.

Die Firma für Assistive Technologien aus Steinhausen (ZG) startete 1999 als Idee zweier enthusiastischer Elektroniker in einer Scheune. Heute ist sie weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt – und verfolgt weiterhin die Werte aus der Gründerzeit.

Fiore Capone, was bedeutet für Sie Kommunikation?

Kommunikation ist eine Plattform, eine Verbindung zwischen Menschen oder Gegenständen, die es ermöglicht, ein gegenseitiges Verständnis aufzubauen.

Active Communication unterstützt also Menschen mit einer Beeinträchtigung, sich mit der Umwelt zu verbinden?

Komplett fehlende Funktionen können wir nicht ersetzen, aber wir können die bestehenden Anlagen eines Betroffenen unterstützen. Oft geht es um Alltagssituationen, zum Beispiel ein Glas Wasser zu bestellen. Wer ein solches Bedürfnis weder mit der Stimme noch mit Gesten äussern kann, dem fehlt ein wichtiger Schlüssel zur Selbstbestimmung. Man bleibt passiv und ist ständig von anderen abhängig. Mit unseren Kommunikationshilfsmitteln dagegen können diese Menschen aktiv zum Ausdruck bringen, was sie wünschen oder fühlen. Sie werden als Personen wahrgenommen und können selbstständig Leistungen beziehen – und erbringen.

Ihre Anwendungen erfassen alle Lebensbereiche?

Genau. Bei Kindern betrifft das eher den schulischen Bereich oder die Förderung des Berufseinstiegs. Bei Erwachsenen decken wir die vielfältigsten Bedürfnisse und Versorgungen ab je nachdem, ob eine Beeinträchtigung schon bei der Geburt besteht oder erst später durch eine Krankheit oder einen Unfall eingetreten ist. Active Communication klärt den individuellen Bedarf ab und sucht geeignete Lösungen. Das reicht vom Spracherwerb bis hin zur Steuerung der gesamten Umgebung.

Ihr Unternehmen zählt zu den weltweit führenden Anbietern. Und das alles hat in einer Scheune angefangen?

[lacht] Ja, die Gründerzeit war recht abenteuerlich. 1999 suchten Ivan Zavagni und ich sinnstiftende Anwendungen für die Elektrotechnik. Wir hatten die Idee, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen von den neuen Möglichkeiten profitieren sollten. So haben wir uns in einer Art jugendlichen Leichtsinns ins Abenteuer gestürzt und bastelten unsere ersten Geräte in einer Scheune. Der Stein kam ins Rollen. Wir sind an den Herausforderungen gewachsen und haben mit viel Mut die nötigen Entscheidungen getroffen. Unser Antrieb ist bis heute der gleiche geblieben: Wir möchten aussergewöhnlichen Menschen Gewöhnliches ermöglichen.

Anfänglich stellten Sie eigene Geräte her, dann entwickelte sich die Firma zum Dienstleister von Versorgungslösungen. Weshalb dieser Strategiewechsel?

Wir realisierten schnell einmal, dass unsere eigentliche Leistung weniger die Komponenten im Lager sind als vielmehr das Wissen um deren Anwendung. Das Prinzip gilt noch immer: Wir verfolgen die technologische Entwicklung genau und überlegen uns, welches Problem eine Innovation lösen könnte. Insofern verstehen wir uns als Schnittstellen-Experten, die beide Bereiche zusammenbringen, die Technik und deren Anwendung. Ein Gerät allein ist noch keine Lösung, es geht immer um den konkreten Einsatz in einer Versorgungssituation. Die Digitalisierung hat auch den Markt der Hilfsmittel stark verändert und bietet Betroffenen und Betreuern ständig neue Möglichkeiten.

Wie blicken Sie auf die zwanzig Jahre Ihres Unternehmens zurück?

In der Pionierphase ging es um die Frage: Wie bringen wir ein Gerät überhaupt zum Laufen? Nach ein paar Jahren rückte die Anwendung in den Fokus: Die Komponenten und Anwendungsbereiche wurden in ein System integriert. Heute haben wir ein Zusammenspiel verschiedenster Hilfsmittel. Sie ermöglichen den Betroffenen eine weit aktivere Rolle, aber sie schaffen auch komplexe Dynamiken mit dem Umfeld. Wenn man ein Hilfsmittel bekommt, fängt die Arbeit erst an. Familie, Schule, Arbeitgeber, Wohnheim – alle müssen mitziehen, damit der Einsatz nachhaltig erfolgreich ist. Insbesondere beim Übertritt vom Sonderschulbereich in die Erwachsenenwelt besteht noch ein grosser Nachholbedarf.

In wiefern?

Zum Beispiel können motorisch eingeschränkte Menschen in einem Beschäftigungsheim nicht die üblichen manuellen Tätigkeiten ausführen. Aber sie könnten einen Computer bedienen. Dadurch sind enorme Chancen entstanden, auf die wir die Fachleute sensibilisieren müssen, damit sie den Stand der Technik kennen und nutzen.

Gleichzeitig steigen die Ansprüche der Betroffenen.

Das ist ein normaler Effekt dieser Entwicklung. Wenn ein hochgelähmter Tetraplegiker mit einer Augensteuerung seinen PC bedient, muss das gesamte System nahtlos funktionieren, die Person braucht es ja ständig. Bei Active Communication stehen wir dadurch allerdings vor der Herausforderung, dass die IV etwa bei einem Defekt keine Ersatzgeräte bezahlt. Wir müssen also die Bedürfnisse des Betroffenen ständig mit denen des Kostenträgers ausgleichen. Das ist nicht immer einfach.

Seit Januar 2018 ist Active Communication eine Tochter der Schweizer Paraplegiker-Gruppe. Weshalb?

Mit dem neuen Setting ist die umfassende Versorgung der Betroffenen nicht mehr von zwei Personen abhängig, sondern nachhaltig abgestützt. Wir stehen seit unseren Anfängen in engem Austausch mit der Ergotherapie des SPZ und haben eine ähnliche Philosophie wie die Paraplegiker-Stiftung. Als Tochtergesellschaft haben wir jetzt den Vorteil, dass die hohe Reputation der Stiftung auch auf unsere Wahrnehmung im Markt ausstrahlt und uns beispielsweise bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden hilft.

Können Sie auch Synergien nutzen?

Wir haben von der Stiftung einen klaren Leistungsauftrag. Natürlich tauschen wir uns mit der Schwestergesellschaft Orthotec aus und stehen in Kontakt mit der ParaHelp, die die Betroffenen zu Hause besucht und betreut.

Ihre Lösungen sind individuell zugeschnitten?

Im Bereich der assistiven Technologien gibt es nichts ab Stange. Ein wichtiger Bestandteil unserer Beratungsleistung besteht darin herauszufinden, wie ein Betroffener ein selbstbestimmtes Signal auslösen kann, um seinen Willen auszudrücken. Von da ausgehend definieren wir dann das Zusammenspiel der Komponenten. Unsere Mitarbeitenden verfolgen die neuen technischen und pädagogischen Möglichkeiten strukturiert, bilden sich permanent weiter und tüfteln an neuen Anwendungen. Hinzu kommt eine enge Zusammenarbeit mit den Herstellern.

Gibt es ein Erfolgsrezept für die rasante Entwicklung Ihres Unternehmens?

Ich denke da an zwei Faktoren: Wir sind unseren Gründerwerten stets treu geblieben und haben es auch immer wieder geschafft, uns selber in Frage zu stellen, um die nächsten Schritte anzugehen. Ein Unternehmen darf sich nie auf seinen Erfolgen ausruhen und zurücklehnen. Vergessen wir nicht: Vor Active Communication stehen die nächsten zwanzig Jahre!

Beitrag erschienen: Gönner-Magazin Paraplegie, September 2019, Nr. 171

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