Luft zum Leben
Wie fühlt es sich an, wenn das eigene Leben von einer Maschine abhängt? Sophie von Grünigen war bis Mitte März 2024 Patientin im Schweizer Paraplegiker-Zentrum und gibt einen Einblick.
Text: Stefan Kaiser
Fotos: Sabrina Kohler
Ich bin siebzehn Jahre alt und wohne in Thun BE. Im Mai 2023 machte mich ein Zeckenbiss zur inkompletten Tetraplegikerin. Vermutlich geschah die Übertragung, als wir für die Konfirmationsvorbereitung im Wald übernachtet haben. Durch die Erreger der Zecke erkrankte nicht nur mein Gehirn, sondern auch Nerven im Rückenmark.
Es begann mit einem epileptischen Anfall auf dem Heimweg vom Eiskunstlauftraining, drei Tage später lag ich im Koma. Als ich dann im Schweizer Paraplegiker-Zentrum aufwachte, sah ich auf einmal meinen rasierten Kopf im Spiegel und war schockiert: Was ist bloss mit mir geschehen? Ich wurde beatmet und war vollständig gelähmt. Es war wie ein Albtraum. Erst mit der Zeit verstand ich, weshalb ich ein Loch im Hals habe.
Das Sprechventil durfte ich am Anfang nur wenige Stunden pro Tag benutzen – und wenn es draussen ist, kommt kein Ton heraus. Einmal wollte ich meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder sagen: «Bitte, bitte bleibt noch etwas bei mir! Nur eine Stunde.» Doch sie konnten meine Lippen nicht lesen und fuhren nach Hause. Das ist so traurig, wenn dich niemand verstehen kann.
Am 19. Oktober wurde ich von der Beatmungsmaschine befreit. Das war wie mein zweiter Geburtstag: Endlich war das Ding aus meinem Hals heraus. Seither konzentriere ich mich voll auf die Reha. Der linke Arm und die Hand machen noch nicht, was ich will, und beim Transfer in den Rollstuhl muss mir die Pflege helfen. Aber ich kann schon einige Schritte im Wasser gehen.
Im Sommer plane ich ein Aufbautraining bei ParaWork, später möchte ich eine Lehre als Hochbauzeichnerin absolvieren. Ich hoffe, dass irgendwann alles wieder gut kommt, denn ich möchte so gerne wieder einmal aufs Eis gehen – oder Snowboarden!
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