Tipps für Begegnungen mit Menschen im Rollstuhl
Menschen mit Querschnittlähmung sind ein Teil unserer Gesellschaft. Studien zeigen, dass sich nur eine kleine Minderheit der betroffenen Personen von der Allgemeinheit abgelehnt fühlt. Persönlicher Kontakt zwischen Fussgänger*innen und querschnittgelähmten Menschen ist dabei ein entscheidender Faktor. Er hilft, Vorurteile abzubauen. Doch was gilt es beim direkten Kontakt mit Menschen mit Querschnittlähmung zu beachten? Wir geben Ihnen nützliche Tipps mit auf den Weg, die den idealen Umgang mit Rollstuhlfahrenden aufzeigen.
Text: Simon Di Nicola
Bilder: Adrian Baer
Hannes* und Lukas* sind Tetraplegiker. In ihrem Alltag sind sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Dem Grossteil der Bevölkerung ist nicht klar, was dies alles mit sich bringen kann. «Viele Personen denken immer, mein grösstes Problem ist nicht mehr aufstehen zu können. Dabei ist dies gar nicht der Fall», meint Hannes. «Dass die Blasen- und Darmfunktion oder der Kreislauf durch die Querschnittlähmung beeinträchtigt werden, stellt für mich eine viel grössere Herausforderung dar.»
Hannes und Lukas haben selber schon die Erfahrung gemacht, dass sie von Fussgängerinnen und Fussgängern anders behandelt wurden, als dass sie es sich gewünscht hätten. Um das Thema Querschnittlähmung für die Allgemeinheit näher zu bringen, haben wir für Sie fünf Tipps für den richtigen Umgang mit Menschen mit Querschnittlähmung.
* Namen geändert
Der richtige Umgang mit Menschen mit Querschnittlähmung
Gehen Sie mit Menschen mit Querschnittlähmung um, wie Sie es selber gerne haben
Menschen im Rollstuhl sind wie Sie und ich. Wir alle schätzen einen respektvollen, freundlichen Umgang.
Betroffene sagen, wann sie Hilfe benötigen
Wenn Sie einem Menschen mit Querschnittlähmung Ihre Hilfe anbieten, fragen Sie zuerst nach, wie Sie helfen können. Die Person wird Ihnen sagen, ob und welche Art der Unterstützung sie braucht. Lukas bestätigt dies: «Ich persönlich finde es schön, wenn mir Leute helfen wollen. Wenn aber eine Person im Rollstuhl aktiv und alleine unterwegs ist, fragt sie selber nach Hilfe. Falls ich keine Hilfe benötige, soll man das auch ganz normal akzeptieren.»
Beachten Sie Distanzzonen
Hilfsmittel sind für betroffene Personen etwas sehr Persönliches und deshalb für andere tabu. Wie auch sie, mögen es Menschen mit Querschnittlähmung nicht besonders, wenn man sie ohne Erlaubnis anfasst. Hannes fügt hinzu: «Ich persönlich mag es nicht, wenn mich jemand ohne zu fragen umher schiebt. Wenn er auf meine Schulter drückt, kann ich aufgrund meiner fehlenden Rumpfstabilität nach vorne kippen.»
Reden Sie mit Betroffenen - und nicht über sie
Ein Mensch im Rollstuhl schätzt es, wenn Sie ihn direkt ansprechen und nicht über ihn hinweg mit einer Begleitperson. Direkter Augenkontakt ist dabei eine Selbstverständlichkeit. Sprechen Sie auch nicht in der dritten Person von ihm. Lukas erlebte dies, als er mit seiner Frau und seinem Hund spazieren ging. «Ich führte meinen Hund an der Leine, als wir mit einer Spaziergängerin ins Gespräch kamen. Sie fragte etwas über unseren Hund und richtete ihren Blick dabei immer auf meine Frau. Obwohl ich antwortete, sprach sie wieder meine Frau an und erwartete, dass sie diejenige ist, die eine Antwort gibt.»
Sehen Sie Menschen im Rollstuhl nicht als andere Personen an
Menschen mit einer Querschnittlähmung sind meist noch dieselben Persönlichkeiten mit denselben Stärken und Schwächen wie vor ihrem Unfall oder ihrer Erkrankung - nur eben sitzend. «Viele Personen haben sofort das Gefühl, dass es mir schlecht geht und haben Mitleid», sagt Lukas dazu. «Dabei bin ich ein völlig normaler Typ.» Hannes sieht es genau gleich: «Ich habe nach meinem Unfall meinem Umfeld gesagt: Nehmt mich so, wie ich es schon vorher war. Dass sie dies dann auch respektiert haben, hat mir sehr gut getan.»
Kontakt als Notwendigkeit
Der falsche Umgang mit Menschen mit Querschnittlähmung kann viele Ursachen haben. Ein sehr wichtiger Faktor ist die Wahrnehmung von Querschnittlähmung in der Gesellschaft. Damit die Chancengleichheit von Menschen im Rollstuhl gewährleistet ist, müssen mögliche Vorurteile erkannt werden. Studien zeigen, dass querschnittgelähmte Menschen im Vergleich zu Fussgänger*innen mit Vorurteilen konfrontiert sind. Einschätzungen in Bezug auf Attribute wie Intelligenz oder Fleiss fallen negativer aus.
So ernüchternd dieses Ergebnis auch ist, so zeigen Studien auch Ansatzpunkte für den Abbau von Vorurteilen. Persönliche Kontakte zu Menschen mit Querschnittlähmung führen dazu, dass diese in erster Linie als Personen und nicht als „Behinderte“ wahrgenommen werden. Auf diese Art und Weise werden negative Einstellungen und Unsicherheiten abgebaut. Auch Lukas hat diese Erfahrung gemacht: «Wenn ich mit meiner Offenheit mit Leuten ins Gespräch komme und sie mir meine Sicherheit anmerken, entstehen völlig normale, schöne Gespräche. Dass es aber soweit kommt, braucht es meinen ersten Schritt.» Kontakt zwischen betroffenen Personen und Fussgängerinnen ist demnach essentiell für deren Integration in die Gesellschaft.
Hannes merkt, dass Menschen mit Querschnittlähmung von der Bevölkerung wahrgenommen werden. «Die Integration und Inklusion von querschnittgelähmten Menschen hat sich im Vergleich zu früher sicher verbessert. Heute ist es beispielsweise ganz normal, wenn eine Person im Rollstuhl einkaufen geht.» Doch sehen das auch andere Menschen mit Querschnittlähmung so? Die rechts abgebildete Grafik gibt Antwort auf diese Frage. Sie zeigt den prozentualen Anteil der betroffenen Personen, deren Leben wegen negativer gesellschaftlicher Einstellungen sehr erschwert wird (eingeteilt nach Geschlecht, Alter und Höhe der Querschnittlähmung). Der Anteil an Menschen mit Querschnittlähmung, die Probleme mit negativen gesellschaftlichen Einstellungen haben, ist mit ca. drei bis vier Prozent sehr gering und bleibt zwischen 2012 und 2017 praktisch unverändert.
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