Peti schaut auf die Uhr

Peti am Ende? Der Wendepunkt

Rückblick: Peti Roos ist 25ahre alt, als er in Amerika in einen Pool springt und sich die Halswirbelsäule bricht.  Er überlebt nur knapp. Mehrere Tage hängt sein Leben am seidenen Faden. Als er erfährt, dass er querschnittgelähmt ist, gibt er sich auf. Mehr über die dramatischen Stunden nach Petis Unfall lesen Sie hier

Ein Pflegefachmann ändert alles

Peti will nicht mehr, kann nicht mehr. Ein Leben als Tetraplegiker im Rollstuhl? Nein. Darin sieht er keinen Sinn. Peti will sterben. Er schliesst seine Augen. Sie sind das Einzige, das er noch bewegen könnte. Er lässt sie geschlossen. Egal, wer ihn besucht, Petis Augen bleiben zu. «Wenn ihr da draussen meine Maschinen nicht abstellt, dann stelle ich halt ab», denkt er und hofft, man verstehe ihn. 

Tatsächlich versteht ihn einer. Aber anders, als es Peti erwartet hätte. Sein Pfleger Hans-Georg Zimmermann weiss, wie es um Menschen wie Peti steht. Erst hat er Peti Zeit gelassen. Zeit für seinen Schmerz. Aber nun ist genug: «Fertig jetzt!», der Ton des Pflegefachmanns ist eindringlich. «Komm, mach vorwärts, Junge!», sagt er zu Peti und rüttelt an ihm. «Es wird besser!» Peti spürt: Hier rüttelt ihn eine gute Kraft unmissverständlich aus seiner Lethargie heraus. 

Dieses Wissen, dieses Versprechen - das ist der Wendepunkt für den 25-Jährigen. Er fasst einen ersten Funken Mut. Petis Lebenswille regt sich. Von da an bemerkt er auch, dass gewisse Körperfunktionen zurück kommen: Ein Zucken in der Schulter. Eine Bewegung des Oberarms. Peti schöpft Kraft aus diesen ersten kleinen Fortschritten.

Peti Roos und Hans-Georg Zimmermann

Hans-Georg Zimmermann, Fachmann Intensivpflege, blickt mit Peti auf die gemeinsame Zeit auf der Intensivstation zurück.

Vorlesestunde gegen die endlose Langeweile

Es liegen indes noch grosse Hürden vor Peti: «Du bist im Bett gefangen, kannst dich nicht bewegen, kannst nicht sprechen», so beschreibt Peti seinen Zustand. Das schlimmste, so scheint es ihm, sind die endlos langen Tage. Zäh ziehen sie sich dahin. Am Vormittag ist jeweils noch etwas los: Peti bekommt sein Frühstück, seine Pflege. Aber danach, ab 11 Uhr, scheint die Zeit stillzustehen. Peti zählt die Sekunden. Minuten fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Seine Mutter erkennt seine Not. Sie besucht ihn jeweils über den Mittag und findet einen Weg, um ihm die Langeweile zu lindern. Sie liest ihm Artikel aus der Sportzeitung vor. Peti ist froh über diese Ablenkung.

Peti am Zeitung lesen
ABC-Tafel

Der Kampf mit dem Mobilisierungsrollstuhl

Nach rund vier Wochen verlässt Peti die Intensivstation und liegt nun auf einer normalen Station. Fortan hat er viele Termine: Unter anderem steht regelmässig Physiotherapie auf dem Programm. Da Peti sich von seinen schweren Verletzungen erholt hat, darf er sich das erste Mal in einen Mobilisierungsrollstuhl wagen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis Peti darin sitzen kann. Immer wieder versagt sein Kreislauf. Peti sackt regelmässig zusammen. Wie ein unbewegliches Monster kommt ihm der Stuhl vor – so gross sind die Strapazen, die er dafür durchlaufen muss. 

«Vergesst es, ich bleibe ein Leben lang im Bett!»

Wieder überkommt ihn die Hoffnungslosigkeit: «Vergesst es, ich bleibe ein Leben lang im Bett», stösst er hervor. Aber das Pflegepersonal ermutigt ihn ein ums andere Mal, trainiert weiterhin mit Peti. Irgendwann schafft er es schliesslich doch. Sein Körper hat gelernt, die aufrechte Haltung auszuhalten. Jetzt ist es so weit: Petis enge Welt beginnt, sich zu öffnen. Er rollt in ein Leben ausserhalb seines Patientenzimmers. 

Der wundersame Boden des SPZ

Peti ist nun bereit für seinen ersten Ausflug mit dem Rollstuhl, um das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) zu erkunden. Dabei trägt er ein Baseballcap: Seine Caps sind sein Markenzeichen. Diese Caps wird ihm aber bald zum Verhängnis. Ein Pflegefachmann schiebt ihn durch die Gänge des SPZ. Plötzlich rutscht Petis Cap über seine Stirn und verdeckt ihm seine Augen. Sein Pfleger kommentiert da und dort, erzählt, was zu sehen ist, redet munter vor sich hin. Nur Peti sieht von alledem nichts. Das Einzige, was er erblicken kann, sind seine Füsse und die Böden des SPZ. Da er noch immer beatmet wird und mittels ABC-Tafel kommuniziert, kann er sich nicht bemerkbar machen. Sein Pfleger stellt dies aber erst am Ende des Rundgangs fest. So kommt es, dass Peti nun jedes Muster der SPZ-Böden verinnerlicht hat. 

Dank Rugby ein neues Ziel vor Augen

Während seiner Physiotherapiestunden in den offenen Therapieräumen des SPZ beobachtet Peti andere Querschnittgelähmte: Sie haben die gleiche Lähmungshöhe wie er. Aber sie bewegten sich flink. Können sich auf eine Weise transferieren, die er nicht für möglich hielt  Er sieht, wie sie sogar Rugby spielen. Wie können sie den Ball bloss so weit werfen? Warum sind sie so agil und schnell in ihrem Rollstuhl!?

Rugby setzt keine Fingerfertigkeiten voraus. Darum eignet es sich für Tetraplegikerinnen und Tetraplegiker sehr gut. Selbst Menschen mit einer sehr hohen Lähmung und grossen Bewegungseinschränkungen können mitspielen. Rugby lebt von Technik und Taktik. Körperliche Einschränkungen rücken dabei in den Hintergrund.

Peti beobachtet die Spielenden mit zunehmender Faszination. Es macht Klick: «Wenn die das können, kann ich das auch», schiesst es ihm durch den Kopf. Ein nächster Wendepunkt ist erreicht: Und wieder hat er ein neues Ziel. Peti weiss, was er erreichen will. Dabei gibt es wichtige Menschen, die ihm Mut machen: Mitbetroffene, Pflegende, ärztliches Personal – und Sie, liebes Mitglied

In der nächsten Folge lesen Sie über Petis erste Versuche im Rollstuhl.

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