Guido A. Zäch in dunklem Anzug in einem Sessel.

Guido A. Zäch: «Nicht Mitleid ist gefragt»

Als Assistenzarzt sah er das Leiden von Menschen mit Querschnittlähmung, die auf den Tod warteten. Das bewog Guido A. Zäch dazu, sein Leben der ganzheitlichen Rehabilitation von Para- und Tetraplegikern zu widmen. Ein entscheidendes Element dafür war die Gründung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

Text: Christine Zwygart
Bilder: Walter Eggenberger, zvg
Interview geführt Anfang Dezember 2024

Guido A. Zäch, sind Sie heute noch oft in Nottwil?

Die Begegnungen und der Gedankenaustausch mit Patientinnen und Patienten des Schweizer Paraplegiker-Zentrums geben mir Einblick in die momentane Qualität der ganzheitlichen Rehabilitation von Querschnittgelähmten. Besprechungen mit Verantwortlichen der Paraplegiker-Gruppe dienen dem gleichen Ziel: Was haben wir bisher erreicht? Wo sind unsere Stärken und Schwächen? Wo besteht Nachholbedarf? Diese Fragen beschäftigen mich permanent. Ich bin deshalb noch häufig in Nottwil anzutreffen.

Wo ist Ihr Lieblingsplatz?

Die lichterfüllte Eingangshalle des Paraplegiker-Zentrums ist der pulsierende Mittelpunkt der Spezialklinik. Mitmenschen aus aller Welt begegnen sich spontan, kommen ins Gespräch und nehmen am Schicksal des Gegenübers Anteil.

Guido A. Zäch spricht in der Begegnungshalle des Schweizer Paraplegiker-Zentrums mit einer Gruppe von Menschen, die an einem runden Tisch sitzen.

Vor fünfzig Jahren haben Sie die Schweizer Paraplegiker-Stiftung gegründet. Was hat Sie dazu bewogen?

Die Gründung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung am 12. März 1975 war und ist von entscheidender Bedeutung. Trägerin des Paraplegiker-Zentrums war damals die Bürgergemeinde Basel: Am 30. Oktober 1974 entschied das Bürgerspital Basel die Schliessung der Spezialklinik in Basel, wenn nicht andere Kantone mithelfen, das Defizit zu tragen. Der marktentscheidende Kantönligeist zwang uns zur Suche einer neuen Trägerschaft, denn kein Kanton war bereit, Defizite vertraglich abzusichern. Für eine frühzeitige Rehabilitation fehlten dringend notwendige Hilfsmittel wie Rollstühle und Elektrobetten, weil die IV nicht vor Ablauf eines Jahres nach Lähmungseintritt zahlen wollte.

Also haben Sie einen neuen Kostenträger aufgebaut.

Die Stiftung hat diese Kostenübernahme dank der Gönnerinnen und Gönner mutig zugesichert und damit die Rehabilitationszeit wesentlich verkürzt. Die ganze Verantwortung für die Trägerschaft des Schweizer Paraplegiker-Zentrums übernahm die Stiftung mit der Planung der Klinik in Nottwil. Nach jahrelangem Bemühen ohne Erfolg, 1977 in Basel und 1984 in Risch, hat die Gemeinde Nottwil unser Bauvorhaben am 5. Juli 1985 bewilligt und damit behinderte Mitmenschen willkommen geheissen.

Weshalb haben Sie die Form einer Stiftung gewählt?

Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung ist als gemeinnützige Organisation anerkannt. Spenden an unsere Stiftung können daher von den Steuern abgezogen werden.

«Der unsägliche Widerstand gegen jede neue Idee, die ich realisieren wollte, hat mich vorwärtsgetrieben.»

Guido A. Zäch

Was hat Sie auf Ihrem Weg als Pionier der ganzheitlichen Rehabilitation vorwärtsgetrieben?

Pioniere sind bekanntlich Wegbereiter. Als Assistenzarzt habe ich erlebt, wie junge Querschnittgelähmte an Komplikationen wie Druckstellen, Nieren- und Blaseninfektionen sowie Lungenembolien litten und schliesslich in einem Altersheim auf den erlösenden Tod warteten. Zur Verwirklichung meiner Vision einer möglichen Rückkehr unserer Para- und Tetraplegiker zurück in ihre Familien, an einen Arbeitsplatz und integriert in die Gesellschaft, habe ich mich in den Universitätskliniken von Genf, Wien, Paris und Basel weitergebildet und war ab 1973 als Chefarzt im dortigen Paraplegiker-Zentrum tätig. Was mich vorwärtsgetrieben hat? Der unsägliche Widerstand gegen jede neue Idee, die ich realisieren wollte. Gegenwind stabilisiert und gibt bei richtiger Einstellung Auftrieb.

Sie suchten die bestmögliche Lösung für die Betroffenen.

Mein Ziel war und bleibt die ganzheitliche Rehabilitation ab Eintritt der Lähmung durch richtige Bergung, schonenden Helikoptertransport ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum zur Akutbehandlung und gleichzeitig beginnender ganzheitlicher Rehabilitation. Zum Therapieprogramm gehört Berufsfindung, Psychologische und Sozialberatung ab der ersten Stunde und lebenslange fachkundige Betreuung. Parallel müssen Mobilitätsfragen und bauliche Massnahmen am Wohnort und Arbeitsplatz finanziell abgesichert und durchgeführt werden. Durch ParaWork und ParaWG wird die nachhaltige berufliche Tätigkeit ermöglicht und bei über sechzig Prozent der Querschnittgelähmten auch erreicht.

Wenn Sie heute auf Ihr Lebenswerk zurückschauen: Was macht Sie besonders stolz?

Die Schweizer Paraplegiker-Gruppe ist ab Stiftungsgründung kontinuierlich und durchdacht gewachsen: Mit der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung als Selbsthilfeorganisation der Betroffenen, dem Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil als Spezialklinik, der Schweizer Paraplegiker-Forschung und dem Guido A. Zäch-Institut. Besonders dankbar bin ich, dass meine Resilienz es mir ermöglicht hat, schwierige Situationen zu meistern. Ich heisse Zäch und bin es auch.

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Guido A. Zäch auf der Baustelle des Schweizer Paraplegiker-Zentrums in Nottwil.

Weshalb ist es so wichtig, dass auch die Akutversorgung in Nottwil geschieht?

Stellen Sie sich vor, die Stammzellenforschung, die klinische Anwendung der Nogo-Gen-Therapie oder neue Erkenntnisse in der Forschung hätten Erfolg in der Neuroregeneration, aber nur während der ersten Stunden nach Lähmungseintritt, und die betroffene Person wäre noch auf dem zu langen Leidensweg bis zum nächsten Spital statt direkt im Flug per Rettungshelikopter ins Kompetenzzentrum für Querschnittgelähmte. Das stimmt mich traurig. Konzentration der Kräfte täte auch in anderen Bereichen der Medizin gut: Eine gesamtschweizerische Gesundheitspolitik ist nötiger denn je.

Hätten Sie auf Ihrem Weg aus heutiger Sicht etwas anders gemacht?

Feci quod potui. Ich habe gemacht, was ich konnte. Mein Weg war schwierig, von Rückschlägen und Enttäuschungen geprägt, aber insgesamt sinnvoll und erfolgreich. Ich habe stets versucht, das Richtige zu tun.

Denken Sie, dass die Gesellschaft achtsamer geworden ist gegenüber Menschen im Rollstuhl?

Die Gesellschaft war hellhöriger als die Politik. Trotz aller Störmanöver haben erstaunlich viele Mitmenschen Solidarität im Alltag gelebt und die Schweizer Paraplegiker-Stiftung tatkräftig unterstützt. Rollstuhlfahrer sind heute gesellschaftlich integriert. Die volle Teilhabe und Gleichheit, wie die Inklusion sie fordert, ist noch eine grosse zukünftige Aufgabe.

Die Stiftung steht für die lebenslange Begleitung betroffener Menschen ein. Ist dieses Ziel heute erreicht?

Die lebenslange Betreuung und fachkundige Begleitung von Menschen mit einer Querschnittlähmung ist ein permanent notwendiger Auftrag. Durch Unfall oder Krankheit erleiden täglich Menschen in der Schweiz eine Querschnittlähmung. Die Stiftung unterstützt Querschnittgelähmte und ihre Angehörigen auch nach dem Spitalaustritt durch ParaHelp und Entlastungspflege, wenn pflegende Angehörige an ihre Belastungsgrenze kommen. Hier sind noch weitere Spezialpflegeeinheiten nötig.

«Die Frage: ‹Wie hätten Sie es gerne, wenn?› sollte im Umgang mit Mitmenschen viel häufiger gestellt werden.»

Guido A. Zäch

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Schweizer Paraplegiker-Stiftung?

Die Anzahl der Gönnerinnen und Gönner hat die Zwei-Millionen-Grenze noch nicht ganz erreicht. Dank intensiver Anstrengungen sollte das im Jubiläumsjahr 2025 möglich werden. So wird die Stiftung weiterhin als erfolgreiche Trägerin des Schweizer Paraplegiker-Zentrums Nottwil wirken und den Unterstützungsbeitrag an Mitglieder von 250 000 Franken bei unfallbedingter Querschnittlähmung zu leisten in der Lage sein. Die gelebte Solidarität der Schweizer Bevölkerung ist bewundernswert.

Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft?

Die Frage: «Wie hätten Sie es gerne, wenn?» sollte täglich im Umgang mit Mitmenschen viel häufiger gestellt werden. Erst im Rollentausch mit dem Gegenüber können wir erahnen, wie unser Verhalten ankommt oder was wir als Selbstbetroffene als gegeben voraussetzen würden. Das «wenn da jeder käme» wird ersetzt durch ein «es könnte auch mich treffen». Nicht Mitleid ist gefragt, sondern Mitfühlen und Mittragen. Gelebte Solidarität.

«Nur die Liebe zu den Mitmenschen gibt dem eigenen Leben einen tieferen Sinn.»

Guido A. Zäch

Und was wünschen Sie sich persönlich?

Der Mensch ist nach unserem Erkenntnisstand das erste Lebewesen, das über den Sinn des Lebens nachdenkt. Cogito ergo sum – «Ich denke, also bin ich», hat der französische Philosoph René Descartes das Menschsein beschrieben. Aber das gibt dem Leben noch keinen Sinn. «Gedenke Mensch, dass du aus Staub bist und wieder zu Staub wirst», steht in der Bibel. Ich lebe bewusst hier und jetzt, später in meinen Nachkommen und Mitmenschen, die mich in Erinnerung behalten. Das gelingt ihnen besser, wenn ich Gutes tue und sie gernhabe. Amo ergo sum. Ich liebe, also bin ich. Nur die Liebe zu den Mitmenschen gibt dem eigenen Leben einen tieferen Sinn. Ich hoffe, am 12. März 2025 den fünfzigsten Jahrestag der Stiftungsgründung erleben zu können, und am 1. Oktober 2025 meinen neunzigsten Geburtstag. Sapienti sat.

Guido A. Zäch nimmt einen Patienten in Empfang.

Dr. med. Guido A. Zäch

Der Wegbereiter und Kämpfer für die ganzheitliche Rehabilitation von Menschen mit Querschnittlähmung gründete die Schweizer Paraplegiker-Stiftung am 12. März 1975 und führte sie während Jahrzehnten.

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