Der Düsentrieb von Nottwil
Was ihn im Job antreibt? «Ich gebe mich nicht gerne geschlagen», antwortet Kurt Galliker. Er lasse nicht locker, bis er die Lösung gefunden habe. Der Rollstuhlbauer ist bei Orthotec zuständig für Sonderanfertigungen. In seinem Büro in der Werkstatt in Nottwil zeigt er Bilder von Lösungen, die zum Staunen Anlass geben. Ein Schicksal hat ihn besonders mitgenommen.
Text: Peter Birrer
Bilder: Beatrice Felder
Drei Fragen an Kurt Galliker
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Was ist das Besondere an deiner Tätigkeit?
Das Besondere an meiner Tätigkeit ist sicher, dass ich Sachen herstellen kann, die man so nicht einfach bestellen kann. Ich darf für den Patienten Einzelstücke anfertigen, die nach seinen Bedürfnissen hergestellt und angepasst werden um somit eine bessere Selbstständigkeit zu erlangen. Wenn dies dann im Alltag funktioniert und ich sehe, dass ich dem Patienten geholfen habe, gibt das mir eine sehr grosse Zufriedenheit. Die intensive und sehr persönliche Zusammenarbeit mit dem Patienten ist immer wieder etwas Besonderes und eine spannende Aufgabe für mich und mein Team. Ich bin sehr dankbar, dass ich an diesem besonderen Ort arbeiten darf, meine Ideen umsetzen darf und für viele Menschen Gutes bewirken kann.
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Was sind die Herausforderungen bei deiner Tätigkeit?
Die Herausforderung bei meiner Tätigkeit ist, dass ich für meine Anfertigungen nicht auf fertige Pläne zurückgreifen kann sondern alles immer wieder neu entwickeln und anfertigen muss. Auch die Mitarbeit an verschiedenen Projekten im ganzen Haus z.B. aktuell die Anfertigung eines Hubsäulenliftes für das neue Sportzentrum ist eine grosse Herausforderung. Ein grosses Thema ist auch die Weiterentwicklung von Sportgeräten und die Unterstützung unserer Sportler/Sportlerinne, dies sind sehr spannende und verantwortungsvolle Arbeiten.
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Warum hat es dich heute gebraucht?
«Es hat mich heute gebraucht, weil es vielen Menschen in Nottwil nicht so gut geht wie mir und ich alle Möglichkeiten ausschöpfen möchte, deren Lebenssituation ein wenig zu verbessern. »
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Beruf als Berufung
Der Rollstuhlmechaniker wuchs auf einem Bauernhof auf und lernte früh, mit Maschinen umzugehen. Nach der Lehre zum Automechaniker arbeitete er in einer Garage, die Ferraris vertrieb. Luxusautos und eine kaufkräftige Kundschaft – das war keine Welt, in der er sich auf die Dauer wohlfühlte. Galliker interessierte sich für Menschen, wollte helfen. So wechselte er vor 22 Jahren zu Orthotec, einer Tochtergesellschaft der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, und versteht seinen Beruf als Berufung.
Unterlippe steuert Joystick
Der hochgelähmte Patient hatte keine Chance, sich im Rollstuhl selber fortzubewegen. Einzig in der Lippe und den Oberschenkeln waren noch Bewegungsfunktionen vorhanden. Galliker grübelte stundenlang. Sein Leitsatz lautet: Wir können nicht jedes Problem gleich gut lösen, aber es muss möglich sein, für den Betroffenen einen Fortschritt zu erzielen. Die zündende Idee in diesem Fall: Er befestigte an den Brillenbügeln des Mannes einen Carbonstab, daran montiert ist ein Mini-Joystick, der sich mit der Unterlippe bedienen lässt. Mit dieser Steuerung und zwei per Oberschenkel betätigten Tastknöpfen kann der Mann nun selbstständig seinen PC bedienen – und sogar E-Rollstuhlhockey spielen. Kurt Galliker erfüllt dieser Patient mit Freude. Er konnte einen wesentlichen Teil dazu beitragen, dass sich dessen Leben positiv verändert hat. Und er sieht, wie dankbar er ist, ein Stück Selbstständigkeit zurückbekommen zu haben.
Funktional – und schön
Kurt Galliker kommt zum Einsatz, wenn die Grenzen des Möglichen erreicht sind. Aber er betont, dass nicht er allein die Einfälle hat, sondern der Input seines Teams oft entscheidend ist: «Manchmal ergeben sich im Gespräch über einen Fall plötzlich Lösungsansätze. » Ein weiteres Foto zeigt einen Rennrollstuhl mit 20-Zoll-Rädern für Kinder, den das Team entwickelt hat – etwas, das es bis anhin nicht gegeben hat. Rund ein Dutzend Mechaniker arbeitet in der Rollstuhlwerkstatt in Nottwil. Ihre Produkte sollen nicht nur funktional sein und hohen technischen Anforderungen genügen, sondern auch schön daherkommen. Das ist Kurt Galliker wichtig. Der coole Kinderrollstuhl beweist es.
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