«Ich lerne immer wieder»
Christina Annen ist fragende Blicke gewohnt. Wenn die Physiotherapeutin erzählt, dass sie regelmässig mit querschnittgelähmten Menschen klettern geht, reagieren viele mit Erstaunen. Wie ist das möglich? Die 40-Jährige hat es uns erklärt.
Text: Stefanie Schlüter
Foto: Adrian Baer
«Ja, unter bestimmten Umständen können Menschen mit einer Querschnittlähmung klettern», sagt Christina Annen. Die 40-jährige Physiotherapeutin, die unter ihren Kolleginnen und Kollegen besser als «Chrislä» bekannt ist, erklärt, dass es keine Erfahrung, aber gewisse Voraussetzungen braucht, damit Patientinnen und Patienten an der Kletterwand im SPZ trainieren können.
Neben kognitiven Fähigkeiten sind dies vor allem Rumpfkraft, Stehfähigkeit und eine gewisse Greiffunktion in den Händen, die vorhanden sein müssen. Dass man laufen kann, ist hingegen keine zwingende Voraussetzung. Das sei evolutionsbedingt, so Christina. «Wir Menschen waren Vierfüssler und können häufig besser klettern und Treppen steigen als gehen.»
Nach der Ausbildung zur Physiotherapeutin bildete sich Christina vor rund 15 Jahren im therapeutischen Klettern weiter. So konnte die begeisterte Kletterin Beruf und Hobby verbinden. Was gibt es also Schöneres, als im SPZ auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen? Seit rund einem Jahr kann die Mutter von drei Kindern mit Patientinnen und Patienten an der Kletterwand im SPZ trainieren. Pro Woche finden im Schnitt zwei Trainings statt.
Das Potenzial ausschöpfen
Pauschal könne man nicht sagen, für wen das Training geeignet sei, erklärt Christina. Wichtig sei vor allem das Vorhandensein innervierter Bein- und Rumpfmuskulatur. Bei den restlichen Krankheitsbildern, die im SPZ oft vorkommen, heisst es einfach auszuprobieren, was möglich ist.
Die Physiotherapeutin möchte keine falschen Hoffnungen wecken. Und doch wird sie immer wieder überrascht davon, was Patientinnen und Patienten alles können. In Erinnerung blieb ihr beispielsweise der Kletterversuch mit einer inkomplett gelähmten Tetraplegikerin, die sich dank den verbleibenden Steh- und Greiffunktionen mit ihrer eigenen Kraft an der Wand halten und somit ihr ganzes Potenzial ausschöpfen konnte.
An der Wand werden Patientinnen und Patienten innovativ, motiviert und finden Lösungen, auf die Christina gar nicht gekommen wäre. «So lerne auch ich immer wieder neue Tipps und Tricks.»
Effektives Training
«Zu Beginn geht es primär darum, dass an der Wand aufrechte Kletterpositionen eingenommen werden. Da wird noch nicht vertikal geklettert», erklärt sie. Das Training ist sehr zielorientiert, kann gut angepasst werden und stärkt gleichzeitig das Gleichgewicht sowie die Muskeln in Rumpf, Beinen und Armen. Und das Beste: Es macht Spass. Am Schluss seien alle erschöpft, aber top motiviert. Ebenfalls soll es ansteckend sein, lacht Christina: «Wenn man vom Klettervirus gepackt wird, dann macht man weiter.»
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