Fragen und Antworten zum Thema Schmerz

Was von Schmerz betroffene und deren Angehörige wissen wollen

Schmerz ist eine komplexe Empfindung, ähnlich einem Gefühl. Schmerz ist immer subjektiv, er lässt sich nicht messen, er lässt sich nicht beweisen und er lässt sich nicht widerlegen. Seit den siebziger Jahren gibt es eine offizielle Definition der internationalen Schmerzgesellschaft, die sowohl für akute, als auch chronische Schmerzen gilt und die dem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell Rechnung trägt.

«Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.»
Definition der Weltschmerzorganisation IASP (= International Association for the Study of Pain)

Dieses Modell beschreibt, dass eine Krankheit, so auch Schmerz, nicht immer und ausschliesslich durch körperliche Veränderungen verursacht wird, sondern dass genauso Funktionsstörungen, emotionale, psychische oder soziale Probleme und Störungen zu Schmerzen und Krankheiten führen können. 

Häufige Fragen zu akuten und chronischen Schmerzen

  • Beim akuten Schmerz werden im Körper Rezeptoren, man könnte vereinfacht sagen Mikrofone oder Klingelknöpfe, aktiviert, die ihre Informationen über das Rückenmark und über viele Schaltstellen in das zentrale Nervensystem, unser Gehirn, weiterleiten. Im Gehirn findet eine komplexe Verarbeitung dieser Informationen statt. Das Resultat dieser Prozesse kann dann die Empfindung Schmerz sein, verbunden mit einer bestimmten Qualität (brennend, stechend, ziehend, pochend, etc.) und einer mehr oder weniger genauen Lokalisation im Körper. Schmerzen können aber auch vom Gehirn unterdrückt werden, z. B. bei Ablenkung, Anspannung, Konzentration auf eine interessante Arbeit oder bei wichtigeren Aufgaben (Fliehen vor einer Gefahr, Schock nach einem Unfall). Chronische Schmerzen können aus akuten Schmerzen entstehen, hier wirken aber viele Faktoren in komplexer Art und Weise zusammen.

  • Akute Schmerzen haben eine Warnfunktion, die Beseitigung der Ursache, die Behandlung der Verletzungen oder der zugrunde liegenden Krankheit lindert diesen Schmerz meistens rasch und nachhaltig. Schmerzmittel helfen in der Regel gut.

  • Substanzen, die ihre Wirkung im zentralen Nervensystem entfalten, können ein Abhängigkeitspotenzial haben. Das klassische Beispiel für solche Schmerzmittel ist Morphin und die damit verwandten Opiate. Wir wissen heute, dass eine regelmässige Gabe mit verzögert wirkenden Präparationen im Blut zu einem gleichmässigen Wirkspiegel dieser Medikamente führt, was die Gefahr einer Abhängigkeit deutlich reduziert. Umgekehrt ist bekannt, dass die Verabreichung dieser Stoffe über kurz wirksame Zubereitungen (Tropfen, Lösung, nicht retardierte Tabletten) zu einem schnellen Anstieg der Konzentration des Medikaments und damit auch zu einem «Kick» führt, die relativ kurze Wirkdauer lässt das Nervensystem dann sehr bald nach der nächsten Dosis verlangen. Die Angst vor einer Abhängigkeit sollte aber kein Grund sein Schmerzen ohne ausreichende Behandlung zu ertragen.

  • Selbstverständlich werden auch die sogenannten hoch potenten Analgetika (Schmerzmittel), zu denen das Morphium gehört, in unserem Zentrum zur Schmerzbehandlung eingesetzt. Ob ein solches Medikament in Ihrem Falle sinnvoll und notwendig ist, werden die Ärzte des Zentrums mit Ihnen nach der Untersuchung besprechen.

  • Chronisch im Zusammenhang mit Schmerzen bedeutet nicht alleine „lange anhaltend“ oder „seit langer Zeit bestehend“. Zu einem chronischen Schmerz gehört die Verflechtung von verschiedenen Faktoren. Anzeichen für eine Chronifizierung sind die Ausweitung der Symptome auf der körperlichen Ebene (die von Schmerz betroffene Region im Körper bereitet sich aus, weitere Schmerzorte treten auf), aber auch das Auftreten von Problemen auf der psychisch-emotionalen Ebene und im Sozialleben.

  • Die frühzeitige und ausreichende Behandlung von akuten Schmerzen ist sicherlich die beste Vorbeugung gegen chronische Schmerzen. Immer dann, wenn eindeutig begründete und normalerweise gut wirksame Behandlungen keine oder nur geringe Einflüsse auf den Schmerz haben, sollte man überlegen, ob es sich wirklich noch um einen akuten, einfachen Schmerz handelt und deshalb andere Einflüsse mit in Betracht ziehen.

  • Häufige chronische Schmerzproblemen sind Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, neuropathische Schmerzen (Schmerzen verursacht durch eine Schädigung des Nervensystems) und multilokuläre oder ausgedehnte chronische Schmerzen (Beispiel Fibromyalgie). Insgesamt leiden ca. 16 % der schweizerischen Wohnbevölkerung an chronischen Schmerzen, das ist ungefähr jeder sechste. Die meisten von ihnen leiden vor sich hin und sind nicht ausreichend versorgt.Querschnittpatienten erfahren überdurchschnittlich häufig chronische Schmerzen, oft verbunden mit Muskelspastik.

  • So vielfältig wie die Schmerzformen sind und so individuell wie jeder Patient seinen Schmerz empfindet, so unterschiedlich sind auch die Auslöser, die am Anfang einer oft langen und langjährigen Schmerzgeschichte stehen. Häufig sind die Auslöser zu einem Zeitpunkt aufgetreten, in der der Patient in einer schwierigen Lebenssituation oder an einem Wendepunkt in seinem Leben stand. Auch stellen vorangegangene Verletzungen, Gewalterfahrungen oder andauernde psychische und soziale Belastungen Schwachstellen dar, die eine solche Entwicklung begünstigen.

  • Chronischer Schmerz ist nach allgemein anerkannter Überzeugung nur auf der Basis eines bio-psycho-sozialen Krankheitskonzeptes zu verstehen. Dabei haben die verschiedenen Anteile von Fall zu Fall eine unterschiedliche Wertigkeit. Häufig treten mit chronischen Schmerzen depressive Stimmungen, manchmal Ängste, sehr häufig Schlafstörungen auf. Im Einzelfall muss aber untersucht werden, ob diese Störungen schon vorher bestanden haben (also vielleicht die Entwicklung der chronischen Schmerzen begünstigt haben), gleichzeitig bestehen, ohne einen Einfluss auf die Schmerzen zu haben, oder Folge der chronischen Schmerzen sind. In jedem Fall müssen sie im Rahmen der Schmerzbehandlung mitbehandelt werden.

  • Nach internationalen Statistiken sind Frauen etwas häufiger von chronischen Schmerzen betroffen als Männer. Die so genannte «Gendermedizin» beschäftigt sich in den letzten Jahrzehnten mit unterschiedlichen Wirkungen von medizinischen Behandlungen, u. a. Medikamenten, auf Männer und Frauen, wobei zum Teil beachtliche Unterschiede festzustellen sind.

  • Die Lebensqualitätsforschung hat sehr schön zeigen können, dass chronische Schmerzen den Menschen in seiner Gesamtheit und allen seinen Rollen und Bereichen betreffen.

  • Zur Erfassung und Diagnosestellung von chronischen Schmerzen braucht man ein Team. Ein Orthopäde kann nicht kompetent die Stimmungslage des Patienten beurteilen und eine psychiatrische Diagnose stellen, der Sozialarbeiter kann die Leistungsfähigkeit des Patienten, seine Einschränkungen und seine Ressourcen nicht abschätzen und der Psychiater oder Psychologe kann den Grad einer körperlichen Schädigung und die therapeutischen Möglichkeiten durch gezielte Infiltrationen oder durch Physiotherapie nicht beurteilen. Es braucht also, um der Komplexität des Patienten und seiner Situation gerecht zu werden, ein Team von Schmerzspezialisten, die ihre Einschätzung und ihre Erkenntnisse austauschen und die weitere Behandlung miteinander abstimmen. Dabei ist die Mitarbeit des Patienten von der Erhebung der Vorgeschichte bis zur Motivation und Teilnahme an der Behandlung entscheidend. Der Schmerzpatient bekommt in der Regel nicht nur eine Diagnose, sondern eine Auflistung der an der Entstehung und Aufrechterhaltung seiner Schmerzen beteiligten Komponenten. Schmerz ist eine Summe, in der sich vieles ausdrückt: Krankheit, Leid, Beeinträchtigung, erlittenes Unrecht und vieles mehr.

  • Neuropathische Schmerzen oder Nervenschmerzen entstehen nach einer Nervenverletzung oder Erkrankung von Nerven bzw. des Rückenmarkes und des Gehirns. Entsprechend der zugrunde liegenden Nervenstörung finden sich typischerweise Störungen des Gefühls sowie Symptome wie Kribbeln, Elektrisieren oder brennende Schmerzen an der Haut. Die Behandlung unterscheidet sich sehr von der Behandlung von Schmerzen anderer Ursachen (z. B. Muskelschmerzen). Vorwiegend behandelt man mit Medikamenten, welche am Nervensystem wirken, wie solche aus der Gruppe der Antiepileptika bzw. Antidepressiva. Zusätzlich können interventionelle Verfahren (z. B. Nervenblockaden u. a.) angewendet werden. In den meisten Fällen ist eine neurologische Untersuchung und apparative Messung der Nervenfunktion (Neurophysiologie) notwendig.

  • Goldstandard für die Behandlung chronischer Schmerzen ist die interdisziplinäre, also fachübergreifende und multimodale Schmerztherapie, die nach Möglichkeit als Gruppenbehandlung umgesetzt wird. Für den Erfolg ist eine gute Patientenselektion notwendig.

  • Falsche Versprechen helfen dem Patienten nicht weiter und führen zwangsläufig zu Enttäuschungen. Vielen Patienten mit chronischen Schmerzen ist aber bereits mit einer guten Untersuchung und Aufklärung über ihr Problem ein Stück weit geholfen. In der Regel wird eine Schmerzbewältigung angestrebt, mit deren Hilfe der Patient seine Aktivität wieder steigern kann, mit der er trotz Schmerzen sein Leben wieder in die Hand nimmt, aktiv am Leben teilnehmen kann, arbeiten, Hobbys pflegen und geniessen kann.

  • Das Zentrum für Schmerzmedizin ist eine der grössten interdisziplinären Abteilungen zur Untersuchung und Behandlung von akuten und chronischen Schmerzen im deutschsprachigen Raum. Die schweizerische Gesellschaft zum Studium des Schmerzes SGSS ist eine interdisziplinäre, wissenschaftliche Vereinigung. Sie ist bemüht über chronische Schmerzen zu informieren, den fachübergreifenden Dialog, Aus- und Weiterbildung, sowie Forschung in der Schmerzmedizin zu fördern. Deshalb hat sie einen Titel geschaffen, den Personen mit einer Weiterbildung in Schmerzmedizin erwerben können: «Schmerzspezialist SGSS®». Auf der Homepage der Gesellschaft ist eine Liste der Fachpersonen mit dieser Qualifikation einsehbar. Leider gibt es bis heute keine Anerkennung der Schmerzmedizin durch die FMH, was einem gewissen Wildwuchs im ärztlichen und therapeutischen Bereich Freiraum lässt. In anderen europäischen Ländern existieren anerkannte Weiterbildungen und damit verbundene Qualifikationsstandards.

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