Die Bahnhofhilfe – Engel auf den Bahnhöfen
Die Bahnhofhilfe – Engel auf den Bahnhöfen
Oktober-Blog 2023
Autor: Daniel Rickenbacher
Wie ihr sicherlich bereits wisst, bin ich viel und gerne mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs, geschäftlich und privat. Ob mit oder ohne Beeinträchtigung, jedem Menschen kann es unterwegs einmal schlecht gehen, er weiss nicht mehr weiter oder möchte mit jemandem sprechen. Oder ein kleines Kind bleibt auf dem Peron stehen, während die Mutter bereits im Zug ist und dieser losfährt. Die Mitarbeitenden der Bahnhofhilfe haben für alle Menschen offene Ohren, Augen und vor allem Herzen.
Wenn ich unterwegs bin, sind sie immer freundlich und helfen mir. Sie beantworten Fragen oder helfen beim Ein- und Aussteigen. Selbst wenn ich wieder einmal zu spät auf dem Peron erscheine und auf mich selbst wütend bin, weil ich zu spät bin, bleiben sie ruhig – für mich sind sie die Engel an den Bahnhöfen.
Ich durfte mit der Teamleiterin der Bahnhofhilfe Luzern ein Interview führen. Es hat mir sehr Spass gemacht und ich war erstaunt, was die Bahnhofhilfe alles leistet. Viel Spass beim Lesen!
Liebe Yvonne, bitte stelle dich kurz vor.
Ich bin Yvonne Koch, wohne mit meiner Familie in Hellbühl auf dem Land und habe vor 14 Jahre hier in Luzern mit einem kleinen Pensum bei der Bahnhofhilfe gestartet. Ich darf das Team in Luzern leiten.
Was ist die Bahnhofhilfe?
Die Bahnhofhilfe ist da, um allen Menschen zu helfen, die in irgendeiner Form Hilfe benötigen. Wir assistieren und geben Mobilitätsunterstützung. Wir geben Auskünfte und helfen beim Kauf von Billetten. In Zusammenarbeit mit der SBB laden wir auch Rollstühle in die Züge ein oder aus und begleiten diese. Die Bahnhofhilfe begleitet auch Kunden bis zum Schiff. Dazu haben wir eigene Rollstühle und man kann diese bei uns für einzelne Tage mieten.
Wie viele Stunde im Tag arbeitet ihr am Bahnhof Luzern?
Wir sind von 8:00 Uhr morgens durchgehend bis um 18:00 Uhr hier.
Wie sieht dein typischer Tagesablauf aus?
Morgens um 8:00 Uhr starten wir hier im Büro. Dann checken wir zuerst die Mails und was die Kollegin im Auftragsbuch schon alles notiert hat. Die Callcenter melden uns unsere Aufträge, welche direkt über die Kunden zu uns gelangt sind. Bei der SBB in Brig melden wir dann, ob wir noch Kapazitäten haben und wann wir gebucht werden können, um einen Rollstuhl auszuladen oder eine Person mit einer Sehbeeinträchtigung zu begleiten. Am Mittag findet dann die Übergabe statt, die Arbeitskollegin kommt. Wir besprechen, was alles angefallen ist oder was zu beachten ist. Der Dienst am Nachmittag beginnt dann und die Kollegin bewältigt den Nachmittag. Am Abend schicken wir den Rapport nach Brig, weil die SBB daran interessiert ist, welche Aufträge wir in Eigenregie abgewickelt haben: Begleitungen, Hilfestellungen, Begegnungen - vor allem Mobilitätsaufträge. Personen mit Sehbeeinträchtigungen dürfen wir selbst in die Züge begleiten, Rollstühle müssen zwingend über das Callcenter abgewickelt werden, damit das Ausladen am Zielort garantiert ist.
Wie viele Fahrgäste begleitet ihr durchschnittlich?
Darüber führen wir eine Statistik, das weiss ich nicht auswendig. Wir schreiben alle Kontakte auf: Auskünfte, Begleitungen auch Touristenauskünfte werden da erfasst. Wir notieren, welche Hilfe der Kunde benötigt und ob es eine Hilfestellung ist. Eine Hilfestellung ist zum Beispiel, einem Rollstuhlfahrer zu helfen, den Regenschutz anzuziehen oder ihm Medikamente einzugeben. Das wird alles in der Statistik erfasst, welche datenschutztechnisch nur intern gebraucht wird.
Du bist Teamleiterin des Bahnhofs Luzern. Wie gross ist dein Team?
Wir sind inzwischen sechs Frauen, die das Pensum aufteilen. Davon ist eine Person «Springerin», die vor allem bei Krankheitsausfällen oder Ferienabwesenheiten einspringt.
Was ist deine Aufgabe als Teamleiterin?
Die Bahnhofhilfe ist von der PRO FILIA Schweiz organisiert. Diese hat ihren Sitz in Zürich. Ich bin die Kontaktperson hier in Luzern. Mit den Delegierten von Zürich pflege ich einen regen Austausch. Wir treffen uns zu Sitzungen und ich bin in Luzern dafür verantwortlich, dass das Tagesgeschäft läuft. Ausserdem führe ich Rapport darüber, was wir hier alles machen. Auch wenn ich zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit leiste, wie das Interview heute. Ich nehme an Vorträgen teil und stelle die Bahnhofhilfe vor. Ausserdem bin ich für die SBB die Ansprechperson hier in Luzern.
Wird die Bahnhofhilfe von der SBB unterstützt? Sie ist ja ein eigenes Unternehmen.
Ja, die SBB unterstützt uns grosszügig. Besonders mit der Einführung vom neuen Behindertengleichstellungsgesetz, welches auf den 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Wir werden über eine App mit der SBB in Kontakt stehen und alle Aufträge dort sehen: Wer dem Kunden beim Einsteigen geholfen hat, wie er weiterreist und wer ihm beim Aussteigen hilft.
Welches sind die Herausforderungen bei deiner Arbeit?
Eine Herausforderung ist sicher, dass wir allein unterwegs sind. Wir müssen allein entscheiden – auch bei Notfällen. Bei Unfällen oder Schwächeanfällen rufen wir die Polizei oder den Notarzt. Das sind Stresssituationen, die zu bewältigen sind. Das Zeitmanagement ist ausserdem eine Herausforderung. Wenn Züge Verspätung haben, müssen wir den Anschluss organisieren.
Was ist der Unterschied zwischen der Bahnhofhilfe und der SBB-Hilfe?
Wir von der Bahnhofhilfe können kurzfristig reagieren. Bei der SBB-Hilfe bucht man die Dienstleistung im Voraus.
Bei uns kann auch jemand ins Büro kommen, wenn er überfordert ist und Stille braucht. Wir haben ein offenes Ohr und Zeit zum Zuhören. Bei uns steht der soziale Gedanke im Vordergrund. Wir versuchen, die beste Lösung für jeden Kunden zu finden.
Möchtest du noch etwas sagen?
Ich liebe meine Arbeit hier sehr. Es ist sehr erfüllend und schön, wenn man Menschen helfen kann und so etwas bewirken kann.
Liebe Yvonne, ich glaube, ich darf jetzt für ganz viele Menschen sprechen: Herzlichen Dank für diese sehr wichtige Arbeit. Dir danke ich vielmals für das tolle Interview.
Über den Autor
Hallo zusammen
Mein Name ist Daniel Rickenbacher und ich bin der Autor dieses Blogs. Hier berichte ich regelmässig aus meinem nicht ganz alltäglichen Alltag. Ich wurde 1993 geboren und lebe aufgrund eines Sauerstoffmangels seit meiner Geburt mit einer Cerebral Parese (CP). Aufgewachsen in Illgau (Kanton Schwyz), wohne ich heute in meiner eigenen Wohnung in Alpnach Dorf. Die Selbstbestimmung und die Selbständigkeit sind in meinem Alltag nicht selbstverständlich. Doch dafür kämpfe ich, Tag für Tag.
Werden Sie jetzt Mitglied und erhalten Sie im Ernstfall 250 000 Franken.