
Kreative Köpfe mit flinken Händen
Eine Mechanikercrew kümmert sich von Neuabgaben über den Service bis hin zu kleinen Einstellungen um alles, was sich um den Rollstuhl dreht. Sie findet Lösungen – und lebt in der Werkstatt vor allem eines: Teamwork.
Text: Peter Birrer
Fotos: Sabrina Kohler
Bald ist Feierabend, das Wochenende naht. Und das bedeutet auch: die Werkstatt gründlich reinigen. Die Männer greifen zu grossen Besen, flachsen – und im Nu ist der Boden sauber. Beat Pfister erledigt derweil eine Reparatur, die kurzfristig angemeldet worden ist und vor den freien Tagen erledigt sein sollte. Flugs bringt er an einem Elektrorollstuhl eine Infusionshalterung an. Der Patient und die Physiotherapeutin, die ihn begleitet, danken es ihm.
Der 45-jährige Beat leitet in der Rollstuhlmechanik den Bereich Service/ Reparaturen. Auf der hierarchisch gleichen Stufe hat er ein Duo an seiner Seite: Kevin Huber, der sich um den Bereich Neu- und Sportgeräte kümmert; und Kurt Galliker, ein alter Haudegen auf dem Gebiet des Rollstuhlsonderbaus.
800 Neugeräte pro Jahr
Drei Chefs also. Aber in der Abteilung wird eines gelebt: Teamwork. 14 Mitarbeitende kümmern sich um alles, was in irgendeiner Form mit den Rollstühlen zu tun hat. Und sie alle sind quasi Quereinsteiger mit ähnlicher beruflicher Ausbildung: Töff-, Velo-, Auto- und Landmaschinenmechaniker sowie ein Lastwagenchauffeur haben sich dieser Aufgabe bei der Orthotec verschrieben. 800 Neugeräte – inklusive Zug- und Sportgeräte – werden jährlich ausgeliefert, wobei jede einzelne Abgabe mit zeitlichem Aufwand verbunden ist. Bis ins Detail steht eine bis zu zweistündige Kontrolle an: Bekommt die Klientin oder der Klient auch wirklich das, was sie oder er bestellt hat? Stimmt die Sitzposition? Hält jede Schraube? Was ist mit dem Kipppunkt? Sind die Bremsen, wie sie sein sollen? Fährt der Rollstuhl tadellos? Und: Von jedem Rollstuhl wird ein Foto geknipst und ein Dossier erstellt.
Kevin Huber übernimmt normalerweise diese Aufgabe. Der 34-jährige Nottwiler, in der Nachbarschaft zum Campus aufgewachsen, sitzt zwar oft am Schreibtisch, um sich der Administration zu widmen. Aber zwischendurch selber Hand anlegen, das muss schon sein. Der ehemalige Motorradmechaniker, der sich zum technischen Kaufmann fortgebildet hat, schätzt den Kontakt mit verschiedenen Leuten. «Es fasziniert mich, Menschen helfen zu können», sagt er. «Die Dankbarkeit, die wir bekommen, ist eine schöne Form der Wertschätzung.» Früher hatte er in der Werkstatt täglich das Geräusch von Motoren im Ohr und den Geruch von Benzin in der Nase. Ihm fehlt das nicht, weil er einen anderen Reiz gefunden hat. Immer wieder sind er und sein Team gefordert, neue Lösungen zu finden – und nie begnügen sie sich mit halbbatziger Arbeit. «Wir achten immer auf vermeintliche Kleinigkeiten», sagt Kevin, «wenn wir darüber hinwegsehen würden, kann das für die Kundinnen und Kunden vielleicht sehr unangenehme Folgen haben und einen Dekubitus verursachen.»

«Die Dankbarkeit, die wir bekommen, ist eine schöne Form der Wertschätzung.»
«Manchmal wie auf Nadeln»
Die Mechaniker liefern oft unter einem gewissen Zeitdruck Massarbeit ab. Ihnen ist bewusst, dass die Kundschaft ihre Hilfsmittel so schnell wie möglich wieder zur Verfügung haben möchte. Im Schnitt investieren sie rund drei Stunden in den Service eines manuellen Rollstuhls, bei einem elektrischen werden in der Regel mindestens vier Stunden kalkuliert. «Manchmal sind wir wie auf Nadeln», sagt Kevin.


Und dann sind da die Aufträge des Hauses, die Beat Pfister jeweils am Morgen zwischen 7.30 und 8 Uhr entgegennimmt. Zu dieser Zeit tauchen die Ergotherapeuten und Ergotherapeutinnen bei der Orthotec auf und deponieren ihre Wünsche, die vor allem individuelle Einstellungen an Rollstühlen betreffen. Beat verteilt die Arbeiten auf seine Kollegen und weiss inzwischen genau, wer für welche Fälle der geeignete Mechaniker ist. Danach herrscht Betrieb an den einzelnen Werkbänken. Sosehr jeder mit seinem Fall beschäftigt zu sein scheint: Sobald es sich um eine knifflige Angelegenheit handelt, erhält er Hilfe. «Jeder unterstützt den anderen», sagt Kevin Huber, «das ist Teil der besonderen Atmosphäre, die bei uns herrscht.»
Um alle Termine aneinander vorbeizubringen, braucht es eine funktionierende Koordination. Das verantwortet das Team der Auftragsbearbeitung mit fünf Personen. Im Prozess unverzichtbar ist ausserdem die Logistikabteilung, die gewährleistet, dass die Einzelteile bereitgestellt werden.
Das Glück von Routinier Galliker
In der Rollstuhlmechanik sind auch Tüftler am Werk, Routiniers wie Kurt Galliker, seit über 27 Jahren und unverändert mit Hingabe dabei. Wer ihn sucht, findet ihn nicht selten im Maschinenraum – dort, wo gefräst oder geschliffen, geschweisst oder sandgestrahlt wird. «Wir wollen mit unseren Dienstleistungen die Selbstständigkeit der Menschen im Rollstuhl zu erhöhen», betont der 58-Jährige. «Es ist ein Glück, dass ich schon so lange hier sein darf. Wir alle hier arbeiten an einem richtig coolen Ort.»
Inzwischen ist die Werkstatt sauber, die Crew verabschiedet sich. Kevin Huber, Beat Pfister und Kurt Galliker ziehen sich nochmals ins Büro zurück, erledigen letzte Arbeiten am PC, und als sie aufbrechen, wissen sie: Am frühen Montagmorgen sind sie wieder bereit für den nächsten Ansturm.

Präzises Handwerk: Auch vermeintliche Kleinigkeiten sind wichtig.
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