International FES Centre®

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2018 eröffneten wir das International FES Centre® für stationäre und ambulante Patient*innen im Bereich der neurologischen und muskuloskeletalen Rehabilitation. 

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    Behandlung

    Die Funktionelle Elektrostimulation (FES) wurde 1992 am SPZ als Behandlungsmethode eingeführt. Seitdem ist sie fester Bestandteil in der Rehabilitation von stationären als auch ambulanten Patient*innen. Es werden alle Anforderungen, der funktionellen Elektrostimulation in der Rehabilitation von Menschen mit Querschnittlähmung und in der Neurorehabilitation, die in den Leitlinien der internationalen Gesellschaft für Funktionelle Elektrostimulation (IFESS) (Education – IFESS) aufgeführt sind, umgesetzt.

    Sie umfasst die Integration aller aktuellen Technologien im Bereich der Elektrostimulation. Dies bedeutet die Anwendung der Funktionellen Elektrostimulation (FES), der Neuromuskulären Elektrostimulation (NMES), der direkten Muskelstimulation und der transkutanen Rückenmarkstimulation lumbal und zervikal (tSCS).

    Die kombinierte Anwendung klassischer physio- und ergotherapeutischer Techniken, mit oder ohne Robotik, sowie gleichzeitiger Elektrostimulation erfolgt unter Berücksichtigung der Standards der Internationalen Gesellschaft für Funktionelle Elektrostimulation (IFESS).

    Es werden folgende Behandlungsfelder der Elektrostimulation angeboten:

    Funktionelle Elektrostimulation FES

    Was bedeutet „funktionelle Elektrostimulation“?

    Die FES ist eine Behandlungsmethode, welche mit elektrischen Impulsen anstelle von Nervenreizen auf Muskeln einwirkt. Die Kontraktion eines oder mehrerer Muskeln ist die Folge. Die Elektrostimulation kann unterstützend wirken, um ein neues funktionelles Gleichgewicht zu erreichen, d. h. Funktionen zu unterstützen oder zu ersetzen.

    Bei der Anwendung der Elektrostimulation wird mittels Elektroden, die auf die Haut gelegt werden, ein künstliches elektrisches Feld erzeugt. Unter dem Einfluss dieses elektrischen Feldes kommt es zur Erregung von Nerven- und/oder Muskelgewebe. Die Folge davon ist, dass sich der Muskel zusammenzieht. Diese sogenannte Muskelkontraktion, die mittels Elektrostimulation erfolgt, gleicht einer physiologischen, d.h. normalen Muskelkontraktion.


    Es gibt 2 Arten der Schädigung des zentralen Nervensystems: die Schädigung des oberen Motoneurons und die Schädigung des unteren Motoneurons.

    FES Hirn.png

    Quelle: Ines Bersch, Upper and Lower Motoneuron Lesions in Tetraplegia-Diagnostic and therapeutic Implications of Electrical Stimulation, ISBN 978-91-7833-408-7

    Bei Personen mit einer Schädigung des oberen Motoneurons werden mit Elektrostimulation unterhalb der Läsion die Nerven, bei Patient*innen mit einer Schädigung des unteren Motoneurons direkt die betroffenen Muskeln, stimuliert.

    Elektrostimulation gelähmter Muskeln FES

    Quelle: Ines Bersch. Upper and Lower Motoneuron Lesions in Tetraplegia-Diagnostic and therapeutic Implications of Electrical Stimulation, ISBN 978-91-7833-408-7

    Elektrostimulation gelähmter Muskeln

    *akut/subakut 6 Monate, *chronisch 6 Monate nach Verletzung/Erkrankung
    # akut/subakut ≤ 2 Jahre, # chronisch ≥ 2 Jahre nach Verletzung/Erkrankung

    Forschung

    Forschungsprojekte, die die Evidenz der Methodik weiterhin verbessern und belegen, werden durchgeführt. Es handelt sich um klinisch relevante Studien, die Funktionen und Strukturen von Menschen mit Querschnittlähmungen und neurologischen Erkrankungen unter dem Einfluss der Elektrostimulation untersuchen. Das Ziel der Studien ist es die Relevanz einer Behandlungsmethode zu belegen und langfristig in den Behandlungsstandard zu integrieren. Dies dient zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Querschnittlähmung und neurologischen Erkrankungen, die eine Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit und der Teilhabe am sozialen Leben mit sich bringen.

    Laufende Studien Funktionelle Elektrostimulation im SPZ

    • Für die funktionelle Verbesserung der oberen Extremitäten liegen wenige Studien vor. In der Rehabilitation von Patient*innen mit einer Querschnittlähmung, die eine Tetraplegie erlitten haben, ist die FES eine weit verbreitete und viel genutzte Methode, um die Funktionen der Arme und Hände zu verbessern. Die EMG ausgelöste Elektrostimulation wird z.B. zur Verbesserung des motorischen Lernens eingesetzt. Die bereits untersuchten Effekte der FES gewinnen zusätzlich an Bedeutung, wenn man eine rekonstruktive Arm und/oder Handchirurgie bei tetraplegischen Patient*innen in Betracht zieht. Hierbei wäre es eine Möglichkeit die Spender- und Empfängermuskeln vor und nach der Operation mittels FES zu kräftigen. Besonders nach der Operation ist der Prozess des motorischen Lernens ein Bestandteil der Behandlung. Bislang wurde noch nicht untersucht, ob der gezielte Einsatz der FES vor und nach den rekonstruktiven Operationen das Ergebnis bezüglich Kraft, motorischen Lernens und funktionellem Ergebnis zusätzlich verbessern könnte. Erste klinische Beobachtungen weisen auf einen möglichen positiven Effekt der FES hin. Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie sollen folgende Punkte untersucht werden:

      • Ob der Einsatz der FES vor und nach der Operation die Kraft des Spender und Empfängermuskels vergrössern kann und somit das Ergebnis bezüglich Kraft und Funktionalität verbessert
      • Ob der Einsatz der FES mit einem EMG getriggerten Stimulator den Prozess des motorischen Lernens nach der OP beschleunigt
      • Wie gross die Zufriedenheit und die Durchführung von dem/der Patient*in individuell definierter Alltagsbewegungen ist
      • Ob die FES eine Volumenzunahme der stimulierten Muskeln zur Folge hat
      • Wie die Anwendbarkeit der FES im Verhältnis zum Nutzen in Vor- und Nachbehandlung von Seiten des/der Patient*in eingeschätzt wird
    • Wir wollen mit dieser Studie den Effekt von zwei verschiedenen Trainingsarten der gelähmten Beinmuskulatur mit Elektrostimulation auf die körperliche Fitness untersuchen. Dabei soll die Auswirkung eines intensiven, jedoch kurzen Trainings im Vergleich zu einem längeren, jedoch wenig intensiven Trainings der Beinmuskulatur mit Elektrostimulation verglichen werden.

    • Die Studie hat das Ziel, die Wirkung der Elektrostimulation auf das Volumen der Gesässmuskulatur und die Druckverteilung im Sitzen zu untersuchen. Weiter wird anhand eines Fragebogens der Einfluss der Elektrostimulation und der damit einhergehenden möglichen Anpassungen am Gesäss auf ihre Lebensqualität erfasst.

    • In dieser Studie wird der Effekt einer 16-wöchigen Stimulation der Bauchmuskulatur auf die Abführdauer und die Passagezeit untersucht. Dazu werden vier Wochen vor, sowie auch 4 Wochen nach der Elektrostimulationsperiode Kontrolluntersuchungen durchgeführt. Bei Anfang, nach acht Wochen und am Ende der neuromuskulären Elektrostimulationsperiode werden Untersuchungen vorgenommen. Die Probanden führen während der gesamten Studienteilnahme (24 Wochen) ein Protokoll über die Abführzeiten. Bei jedem der fünf Kontrolltermine werden der "International Standards to document remaining Autonomic Function after Spinal Cord Injury" (ISAFSCI), der "Qualiveen Short Form", der "Neurogenic Bowel Dysfunction Score" (NBDS) und der "Mais Test" erhoben. Im Abführprotokoll notieren die Teilnehmer*innen jeweils die Abführzeiten, die Stimulationsdauer sowie die Stuhlkonsistenz gemäss Bristol Stool Form Skala.

      Die Einschlusskriterien lauten wie folgt:

      • Traumatische/nicht-traumatische Querschnittlähmung welche länger als ein Jahr zurückliegt,
      • Läsionshöhe zwischen C2-L5,
      • ASIA A/B/C/D,
      • Mindestalter von 18 Jahren und
      • Bedürfnis die Abführdauer zu reduzieren.

      Die Studienverantwortung liegt bei Dr. Ines Bersch.
      Die Studie dauert voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2023.

    • Personen mit einer Tetraplegie weisen je nach Lähmungsausmass eine mehr oder weniger ausgeprägte Einschränkung der Handfunktion auf. Nicht selten entscheidet jemand sich in der Erstrehabilitation noch für eine sogenannte "Greifrekonstruktion". Dabei wird in einem bestimmten operativen Verfahren einer der beiden Anteile des Extensor Carpi Radialis auf die Fingerextensoren transferiert. So kann die aktive Handöffnung bei ausreichender Muskelkraft der Spendermuskeln gewährleistet werden. Oft bleibt jedoch unklar, ob der verbleibende und nicht für den Transfer genutzte Teil des Spendermuskels zusammen mit den verbleibenden Handgelenksstreckern eine ausgeglichene Bewegung des Handgelenks gewährleisten kann.

      Ein nicht-invasives Verfahren, welches erlaubt die Innervation und das Aktivierungspotential der verschiedenen ECR-Anteile darzustellen, bietet die Möglichkeit zur Evaluation der Muskulatur hinsichtlich weiterer Behandlungsindikationen. Hierzu wird das Motorpoint-Mapping mittels Elektrostimulation angewandt. Hierbei wird mit einer sogenannten Stiftelektrode eine gezielte Stimulation am Nervenpunkt des Muskels angewandt. Die Anwendung der Methode ist für viele Muskeln am Unterarm bereits überprüft. Diese Studie hat als Ziel, die durch die Stimulation hervorgerufene Bewegung am Muskel mittels einer Ultraschallmessung und einer Kraftmessung zu dokumentieren. 

    Lehre

    Es besteht ein Angebot aus Fort- und Weiterbildung. Einmal jährlich findet eine zertifizierte 2-tägige Weiterbildung statt. Die Weiterbildung beinhaltet Themen aus dem klinischen und therapeutischen Alltag, in denen die Elektrostimulation zur Anwendung kommt. Der international ausgeschriebene Kurs findet im November jeweils am dritten Freitag und Samstag des Monats statt. Neben dem Erlernen theoretischer Grundlagen und praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten besteht die Möglichkeit eines internationalen und interprofessionellen Austauschs.

    Zusätzlich werden Webinare durchgeführt. Sie finden am frühen Abend statt und dienen als Learningsnacks zu verschiedenen Themen in der Anwendung der FES, der NMES, der direkten Muskelstimulation und der tSCS.

    Anfragen von externen Praxen und Kliniken zu themenspezifischen Fortbildungen werden gerne entgegengenommen und nach Thema und Vorstellungen individuell erstellt. Diese Fortbildungen können online, vor Ort oder in hybrider Form durchgeführt werden.

    Stationärer Betrieb

    Die stationäre Betreuung der Patient*innen, welche FES bekommen, wird durch die/den behandelnde/n Therapeut*in gewährleistet, durch Fachspezialist*innen und Therapieexpert*innen im Bereich der FES betreut.

    Eine weiterführende Behandlung im International FES Centre® und die lebenslange Nachsorge sind gewährleistet.

    Ambulanter Betrieb

    Betreuung aller ambulanten Zuweisungen für Menschen mit einer Querschnittlähmung und/oder Einschränkungen der Körperfunktionen durch Rückenmarkschädigungen wie reduzierte Muskelkraft, verminderte Sensibilität, Probleme mit der Blasen- oder Darmkontrolle und anderen neurologischen Symptomen.

    Ambulante Zuweisungen können in Form von Evaluationen, die die Möglichkeiten der Funktionellen und Neuromuskulären Elektrostimulation, der direkten Muskelstimulation und der transkutanen Rückenmarkstimulation beurteilen, erfolgen.

    Es ist möglich, ambulante physio- und ergotherapeutische Behandlungen aus allen Fachbereichen zu erhalten, die mit den verschiedenen Methoden und Technologien aller Arten der Elektrostimulation kombiniert werden. Dies beinhaltet u.a. verschiedene Fusshebersysteme und Stimulationssysteme für den Arm respektive die Hand, die mit Array Elektroden arbeiten.

    Die Betreuung aller nachstationären Patient*innen mit funktioneller Elektrostimulation auf Rezept- und/oder Privatbasis und im Abonnementsystem wird angeboten.

    Seit 2022 besteht die Möglichkeit, eine ambulante Rehabilitation durchzuführen, bei der sämtliche physio- und ergotherapeutischen Behandlungen in Kombination mit der entsprechenden Elektrostimulation erfolgen. Dieses Angebot besteht für in- und ausländische Patient*innen und kann vorheriger Kostengutsprache oder durch Eigenfinanzierung durchgeführt werden

    Desweiteren besteht für Patient*innen aus dem Ausland im International FES Centre® die Möglichkeit einer individuellen Abklärung hinsichtlich oben genannter Behandlungsfelder. Diese 3 stündige Abklärung umfasst Diagnostik, Behandlung und die Testung verschiedener Systeme der Elektrostimulation.

    • Ärztetarif

      Das Angebot der ambulanten Sprechstunde wird durch eine/n Ärztin/Arzt und einem/r FES-Therapeut*in abgedeckt. Ziel dieser Sprechstunden ist es, im interdisziplinären Team komplexe Patientensituationen befunden und austesten zu können. Diese Leistung wird mit folgenden Tarmed Positionen abgerechnet:

      • Konsilium (bei externem Zuweiser für die Erstbefundung à Tarif höher)
      • Arztkonsultation/Verlaufskontrolle (Interner Zuweiser)
      • Ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten
      • Abrechnung Arztberichte nach Vorgaben Tarmed

      Paramedizinischer Tarif

      Es wird eine Verordnung für ambulante Physiotherapie benötigt, über welche die Behandlung abgerechnet werden kann. Die Abrechnung läuft über einen Physiotherapietarif mit Zusatz Erstbehandlung bei der ersten Konsultation.

      Es wird eine Verordnung für ambulante Ergotherapie benötigt, über welche die Behandlung abgerechnet werden kann. Die Abrechnung läuft über einen Ergotherapietarif in Anwesenheit des/r Patient*in und Tarif 7602 in Abwesenheit des/r Patient*in .

      Stimulation

      Stimulatoren sind Geräte zur Funktionellen, Neuromuskulären und direkten Muskelstimulation. Die klassischen TENS Geräte erfüllen in aller Regel die Kriterien für oben genannte Stimulationsformen nicht. Im schweizerischen Versicherungssystem ist die Kostenübernahme für Eigen- und Leihgeräte nicht eindeutig geregelt. Auf der Mittel- und Gegenstandsliste (MiGel) sind Stimulatoren für den Bereich der funktionellen Elektrostimulation nicht explizit aufgeführt. Kostengutsprachen beruhen auf Einzelfallentscheidungen.

      Ambulante Patienten-Dokumentation

      Berichte aus ambulanten Konsultationen werden nach Aufforderung kostenpflichtig erstellt – Anpassungen erfolgen basierend auf den neuen Tarifstrukturen ab 2025.
      Kostengesuche für Geräte zur Elektrostimulation werden individuell für den jeweiligen Kostenträger erstellt.

    Angebot / Behandlungsfelder

    Die FES stellt eine vielfältige Behandlungsmethode dar, die bestenfalls mit einer ergo- und/oder physiotherapeutischen Behandlung kombiniert wird. Die Auswahl der Stimulationsprogramme mit deren Parametern sollte jedoch immer individuell erfolgen. In aller Regel können keine Standardprogramme erfolgsversprechend eingesetzt werden.

    • Motorisches Lernen ist eine andauernde Veränderung in der Beherrschung einer Fertigkeit, die auf Übung oder Bewegungserfahrung zurückgeht.  Das „Motorische Lernen“ beinhaltet das Lernen oder Wiedererlernen von Bewegungen und Funktionen, die durch eine Schädigung des zentralen und peripheren Nervensystems, wie z.B. eine Rückenmarksverletzung oder einen Schlaganfall beeinträchtigt wurden. Oftmals kann nicht alles wiedererlernt werden, da zu stark geschädigte Bereiche von diesem Prozess ausgeschlossen werden. Es kommt jedoch zu einer Aktivierung von Bereichen der motorischen Grosshirnrinde, die durch den “erlernten Nichtgebrauch” betroffen sind. Als Grundlage dient das Lernmodell von Fitts und Posner, wobei das motorische Lernen in 3 Phasen unterteilt wird.

      Grafik Motorisches Lernen FES

      Übungen unter dem Aspekt des motorischen Lernens kombiniert mit der Funktionellen Elektrostimulation, der transkutanen Rückenmarkstimulation oder direkten Muskelstimulation erhöhen den Reiz auf das zentrale und periphere Nervensystem.

    • Das FES Cycling (Radfahren) wird im Sinne der Prävention als Herz-Kreislauf-Training empfohlen. Hierbei werden die Beinmuskeln (M. quadriceps, Mm. ischiocrurales, M. glutaeus maximus, M. tibialis anterior, M. gastrocnemius) während der Radfahrbewegung stimuliert. Das bedeutet, dass man das Rad mit der Bewegung der stimulierten Beine antreibt. Effekte wie eine grössere Sauerstoffaufnahme während des Trainings und eine gesteigerte Fettverbrennung durch das Training sind untersucht und belegt worden. Einen weiteren Effekt stellt die Verbesserung der körperlichen Fitness dar.
      Perret et al 2010, Gorgey et al 2016, Hasnan et al 2013.

      Als Alternative zum FES Cycling kann auch das Arm Cranking (Hand-/Arm Fahrrad) oder das Rudern mit FES eingesetzt werden.

    • Patient*innen mit einer Tetraplegie und Paraplegie (TH2 –TH5) fehlt lähmungsbedingt die willkürliche Aktivität der Bauchmuskulatur. Diese wiederum ist wesentlich an der forcierten Ausatmung beteiligt. Die forcierte Ausatmung ist notwendig für eine gute Belüftung der Lunge, das Husten und laute kraftvolle Sprechen. Normalerweise benötigt ein/e Tetraplegiker*in eine Hilfsperson, die beim Abhusten eine manuelle Unterstützung gibt. Eine Alternative stellt die FES der Bauchmuskulatur dar. Sie verstärkt die Ausatmung und den Hustenstoss. Das Husten kann somit autonom den ganzen Tag über angewandt werden. Die Elektroden werden morgens auf der Bauchmuskulatur befestigt. Der Stimulator mit einem dementsprechenden Schalter am Rollstuhl befestigt. Wird das Husten benötigt wird der Schalter betätigt, die Bauchmuskulatur zieht sich zusammen und das Husten kann erfolgen.
      McCaughey et al 2019

      Patient*innen, die eine Schädigung des Haupt-Atemmuskels (Diaphragma) haben, können über die Stimulation des n. phrenicus die Funktion des Diaphragmas (Zwerchfell) verbessern. Hierbei kommt es zur Stimulation des Nervens bei der Einatmung und der Bauchmuskulatur während der Ausatmung. Keogh C et al, 2022

      Diese Art der Stimulation dient v.a. Menschen mit einer hohen Tetraplegie als Training des Zwerchfells und ggf. als Vorbereitung für eine Operation zur Implantierung eines Zwerchfellstimulators.

    • Die FES kann Teilfunktionen von Muskelgruppen oder einzelne Muskeln in ihrer Funktion unterstützen oder sogar ersetzen. Das am häufigsten angewendete System unterstützt Muskeln in den unteren Extremitäten beim Gehen, wie z. B. die Fussheber- und/oder die Gesässmuskulatur. Es können jedoch auch Muskeln im Rumpf, in der Fortbewegung sowie in den oberen Extremitäten beim Greifen von Gegenständen unterstützt oder ersetzt werden. Es bedarf einer individuellen Abklärung, um einen effektiven und effizienten Funktionsersatz zu erstellen.

      Die Abgabe eines solchen funktionsverbesserndem System erfolgt unter Begleitung einer Fachperson des International FES Centre®. Die zu stimulierende Muskulatur muss systematisch trainiert werden, um funktionsverbessernde Systeme im Alltag dauerhaft einsetzen zu können. Testphasen mit regelmässigen Kontrollen, in denen die Stimulationsparameter angepasst werden, gehören zur Abgabe und dauerhaften Nachsorge dazu.

      Im International FES Centre® wird hauptsächlich mit dem FESIA Walk gearbeitet, da es ein System ist, welches die Fussheber und die Fusssenker stimuliert, die beide gleichbedeutend für das Gehen sind.

      FES Patientenpfad

    • Mit der FES kann verhindert werden, dass es zur Muskelatrophie, aufgrund von Nichtgebrauch oder Denervation (Gordon et al 1994) kommt. Die Kraft der Muskulatur (Crameri et al 2004), die Leistung (Haapala et al 2008) und die Ausdauer (Sabatier et al 2005) können verbessert werden. Es kommt zu einer Zunahme der Querschnittfläche der Muskeln (Martin et al 1992, Scremin et al 1999) sowie zu einer Zunahme von Muskelmasse (Scremin et al 1999). Es können einzelne Muskeln oder Muskelgruppen in ihrer Funktion gekräftigt werden.

    • Der Einsatz der FES hat eine Tonus, d.h. Spastik- und Spasmenregulierende Wirkung. Diese Wirkung setzt kurz anhaltend, bereits nach der ersten Behandlung ein. Eine länger anhaltende Wirkung wird jedoch erst nach einigen Wochen bis Monaten erzielt. Eine gute Methodik zur Tonusregulation bieten das FES-Cycling, Arm-Cranking mit FES und das FES Rudern. Bei allen drei Methoden wird eine Bewegung durchgeführt, die durch die stimulierte Muskulatur unterstützt durchgeführt wird.

      Die transkutane Rückenmarkstimulation (lumbal und zervikal) wird zur Tonusregulation und zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen angewandt.

    • Durch die Aktivierung von propriozeptiven Fasern, die für das Raum-Lage-Empfinden verantwortlich sind, werden Impulse an die Motoneurone gesendet.

      Grau et al, 2020; Inanici et al, 2021

      Es ist bekannt, dass das Rückenmark nicht nur ein Gedächtnis besitzt, sondern auch lernen kann. Somit können brachliegende Funktionen aktiviert werden.

      Wolpaw, 2010

    Struktur

    • Die Gefahr einer Fehlstellung des Oberarmkopfes zum Schulterdach zu bekommen, trifft Menschen mit einer Tetraplegie, bei denen die schulterumgebene Muskulatur, aufgrund der Lähmung nicht ausreichend vorhanden ist. Folgen einer Subluxationsstellung im Schultergelenk können Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sein. Die NMES stellt eine Behandlungsmethode dar, die dem entgegenwirken kann. Optimal ist die Kombination zwischen einer gezielten physiotherapeutischen Behandlung und der NMES.

    • Strukturelle Veränderungen im Bereich der Rumpfmuskulatur haben Konsequenzen auf die Statik im Stehen und im Sitzen. Die Folge können skoliotische Fehlhaltungen, lähmungsbedingte Skoliosen und Asymmetrien im Rumpf sein. Neuronale Tonus-veränderungen wie z.B Spastik oder eine asymmetrische Innervation im Rumpf sind ebenfalls Ursachen für statische Abweichungen im Bereich der Wirbelsäule. Bei Kindern und Jugendlichen ohne neurologische Vorerkrankung ist es die idiopathische Skoliose. Die NMES in Kombination mit einer gezielten physiotherapeutischen Behandlung der Haltung, sowie einer gleichzeitigen Anpassung des Rollstuhls stellt eine Behandlungsmethode dar. Bei Kindern und Jugendlichen mit idiopathischer Skoliose sind Behandlungsmethoden wie Lehnert-Schrot und Gocht-Gessner sehr gut mit der NMES zu kombinieren.

    • Die FES kann zur Vermeidung und Behandlung von Gelenkseinschränkungen, sofern sie muskulär bedingt sind, eingesetzt werden. Dies kann an der oberen als auch an der unteren Extremität eingesetzt werden. Im Bereich der Hand- und Fingergelenke können muskuläre Verkürzungen behandelt werden, die z. B. durch ein Ungleichgewicht zwischen den Hand- und Fingerbeugern und Streckern entsteht. In der unteren Extremität kann der Spitzfuss mit FES behandelt werden. Hier bietet sich nach ärztlicher Abklärung eine Kombinationsbehandlung nach Injektion Botulinumtoxin und anschliessender FES an.

    • Die Ziele für den Einsatz der FES in der Prävention von Hautverletzungen unterschiedlicher Genese sind die Reduzierung und Verhinderung von der Nichtgebrauchs-Atrophie und/oder Denervationsatrophie. Ebenso soll die Ernährung und die Durchblutung der Haut verbessert werden.  

      Bei der Anwendung von FES bei Patient*innen mit Querschnittlähmung müssen zwei Gruppen unterschieden werden: solche mit einer Läsion des oberen Motoneurons (UMN) und solche mit einer Läsion des unteren Motoneurons (LMN). Die Stimulationsparameter unterscheiden sich bei beiden Arten von Läsionen. Bei einer Schädigung des UMN wird via Nerv mit Pulsbreiten im s (Mikrosekunden)Bereich stimuliert, hingegen bei einer Schädigung des LMN wird mit Pulsbreiten im ms (Millisekunden)Bereich der Muskel direkt stimuliert. In beiden Fällen ist das Ziel die Hypertrophie der Gesässmuskulatur, um einen ausreichenden Polstereffekt auf der Sitzfläche zu erreichen.

      Die Anwendung kann im klinischen und häuslichen Umfeld durchgeführt werden. Darüber hinaus stellt diese Präventivbehandlung eine Möglichkeit dar Hospitalisierungen zu vermeiden oder verkürzen und die Kosten für die Gesundheitsversorgung zu reduzieren.

    • Ist das periphere Nervensystem geschädigt müssen die Stimulationsparameter angepasst werden, damit es zu einer effektiven Stimulation kommt. In aller Regel werden lange Impulse verwendet, da Muskelfasern langsamer erregbar sind als Nervenfasern. Da mehr Ladung durch die Haut gebracht werden muss erfolgt die Stimulation mit Schwammelektroden oder Sicherheitselektroden mit salzfreiem Gel.

      Unter diesen Voraussetzungen ist die Stimulation sehr effektiv und kann im Sinn des motorischen Lernens, der Strukturveränderung und des Krafttrainings eingesetzt werden.

      Ein weiteres Einsatzgebiet besteht vor und nach Muskelsehnen- und Nerventransfers zur Funktionsverbesserung in der oberen Extremität. Hier können Spender- und Empfängermuskel identifiziert und gezielt mit den entsprechenden Stimulationsparametern behandelt werden. Bersch et al 2020, Fridén et al 2021

    • Es ist ebenso möglich, ambulante physio- und ergotherapeutische Behandlungen aus allen Fachbereichen zu erhalten, die mit den verschiedenen Methoden und Technologien der Elektrostimulation kombiniert werden.

      Personen, die diese Angebote in Anspruch nehmen möchten, können sich als Selbstzahler ohne ambulante Zuweisungen im Sekretariat melden.

      Diese Leistungen werden wie folgt verrechnet und gelten bis 31. Dezember 2025

      • Erstaustestung, 60 Minuten, CHF 264.-
      • Erstaustestung mit Arzt, 60 Minuten, CHF 346.-
      • ambulante Kontrollen, 30 Minuten, CHF 114.-
      • ambulante Kontrollen, 60 Minuten, CHF 228.-

    Links

    Literatur

    • Bücher

      Ines Bersch:  Therapeutic Applications of Electrical Stimulation in Spinal Cord Injury. Kapitel 11. S. 253-279 In: Gernot Müller-Putz, Rüdiger Rupp: Neuroprosthetics and Brain-Computer Interfaces in Spinal Cord Injury.  Springer-Verlag, 2021

      Jan Fridén, Ines Bersch, Fabrizio Fiumedinisi , Silvia Schibli, Sabrina Koch-Borner.Surgical rehabilitation across countries: A model for planning in telerehabilitation. Kapitel 25,
      In: Elsevier Verlag. 2021

      Ines Bersch. Upper and Lower Motoneuron Lesions in Tetraplegia – Diagnostic and Therapeutic Implications of Electrical Stimulation. 2019. University of Gothenburg, Schweden.

      Thomas Schick (Hrsg.). Funktionelle Elektrostimulation in der Neurorehabilitation. Synergieeffekte von Therapie und Technologie. 2021. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.

      Veröffentlichungen

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      2. Bersch, I. & Mayr, W. Electrical stimulation in lower motoneuron lesions, from scientific evidence to clinical practice: a successful transition. Eur. J. Transl. Myol. (2023) doi:10.4081/ejtm.2023.11230.
      3. Zampieri, S., Bersch, I., Kern, H., Sarabon, N., Rosati, R., LeBrasseur, N.K., Leeuwenburgh, C., Carraro, U.  2023 Padua Days of Muscle and Mobility Medicine: post meeting book of abstracts. Eur. J. Transl. Myol. 33, 11427 (2023).
      4. Koch-Borner, S. Bersch, U., Grether, S., Fridén, J., Schibli, S., Bersch, I. Different thumb positions in the tetraplegic hand. Arch. Phys. Med. Rehabilitation (2023) doi:10.1016/j.apmr.2023.06.014.
      5. Dolbow, D. R., Gorgey, A. S., Johnston, T. E. & Bersch, I. Electrical Stimulation Exercise for People with Spinal Cord Injury: A Healthcare Provider Perspective. J Clin Medicine 12, 3150 (2023).
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      9. Bersch I, Alberty M, Fridén J. Robot-assisted training with functional electrical stimulation enhances lower extremity function after spinal cord injury. Artif Organs. 2022 Oct;46(10):2009-2014. doi: 10.1111/aor.14386.
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      17. Lampart P, Gemperli A, Baumberger M, Bersch I, Prodinger B, Schmitt K, Scheel-Sailer A. Administration of assessment instruments during the first rehabilitation of patients with spinal cord injury: a retrospective chart analysis. Spinal Cord. 2018 Apr;56(4):322-331.
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      19. Bersch I, Fridén J. (2016). Role of Functional Electrical Stimulation in Tetraplegia Hand Surgery, Arch Phys Med Rehabil. 97(6 Suppl):S 154-9.
      20. Bersch I, Tesini S, Bersch U, Frotzler A. (2015). Functional Electrical Stimulation in Spinal Cord Injury: Clinical Evidence versus Daily Practice, Artif. Organs 39(10):849-54.
      21. Mueller G, Bersch-Porada I, Koch-Borner S, Raab AM, Jonker M, Baumberger M, Michel F. (2014). Laboratory evaluation of four different devices for secretion mobilization: Acapella choice, green and blue versus water bottle. Respir Care. 59(5):673-7.
      22. Tesini S, Frotzler A, Bersch I, Tobón A. (2013). Prevention of Orthostatic Hypotension with Electric Stimulation in Persons with Acute Spinal Cord Injury, Biomed Tech(Berl).58.
      23. Bersch I, Frotzler A, Baumberger M. Functional Electrical Stimulation in Spinal Cord Injury: Clinical Evidence versus Daily Practice. Biomed Tech (Berl). 2013 Aug;58 Suppl 1.

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    • Ines Bersch-Porada FES Centre

      Dr. Ines Bersch-Porada

      Leiterin International FES Centre® und Physiotherapeutin
    • Michael Baumberger

      Dr. med. Michael Baumberger

      Senior Consultant Paraplegiologie und Rehabilitationsmedizin / Medizinische Verantwortung International FES Centre®
    • Urs Sonntag

      Dr. med. Urs Sonntag

      Leitender Arzt Paraplegiologie
    • Ursula Gföller FES Centre

      Ursula Gföller

      Physiotherapeutin und FES-Expertin
    • Susanne Opel FES Centre

      Susanne Opel

      Physiotherapeutin und FES-Expertin
    • Charlene Eggenschwiler

      Charlene Eggenschwiler

      Ergotherapeutin und FES-Expertin
    • Marie Alberty FES Centre

      Marie Alberty

      Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Physiotherapeutin, Bewegungswissenschaftlerin
    • Kathrin Schäfer FES Centre

      Kathrin Schafer

      Studienkoordinatorin, Psychotherapeutin SPH, MPH
    • Bodmer Christine

      Christine Bodmer

      Assistentin FES-Zentrum
    • Ulf Bersch FES Centre

      Dr. med. Ulf Bersch

      Mitarbeiter Studien / Forschungsprojekte

    Kontakt

    Öffnungszeiten Sekretariat

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