Floriane Willemin: «Nein, ich bin kein Gemüse»

Manchmal übersteigt die Realität das Vorstellbare. Die Geschichte von Floriane Willemin ist unfassbar. Die Jurassierin, die 1992 einen Verkehrsunfall erlitt, ging durch die Hölle. Sie verbrachte 26 Jahre eingemauert in Schweigen und wurde fälschlicherweise als «in einem Zustand minimalen Bewusstseins» befindlich eingestuft. Sie war nicht in der Lage, auf sich aufmerksam zu machen. Eine Stille, aus der sie als wahre Kämpferin hervorgeht. Eine lange Nacht, die sie heute ins Licht rücken möchte.

Manchmal braucht es nicht viel, um alles ins Wanken zu bringen. Am 24. Mai 1992 fesselt ein Verkehrsunfall die gerade 16-jährige Floriane Willemin an ein Krankenhausbett. Das Leben der jungen kaufmännischen Auszubildenden aus Saulcy wird nie mehr dasselbe sein. Ihre Eltern eilten nach Bern, wo Floriane mit dem Hubschrauber hingebracht wurde. Sie erfuren, dass sie mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma im Koma lag. Die Ärzte, in deren Händen sie sich befand, gaben keinen Raum für Hoffnung. Ihr Schicksal schien besiegelt.

Doch entgegen allen Erwartungen erwacht Floriane bald aus dem vegetativen Zustand, in dem sie sich befunden hatte. Sie hört und versteht alles, was um ihr Bett herum passiert. Da ihr Körper nicht mehr reagiert, ist sie nicht in der Lage, sich zu äussern. Eingesperrt in ihrem eigenen Körper. Eine Hölle, die mehr als sechsundzwanzig Jahre dauert. Diese Tortur wurde glücklicherweise durch die Intervention einer Sonderpädagogin beendet, die es ihr ermöglichte, wieder Zugang zu Kommunikation zu erhalten. Heute tritt Floriane Willemin aus dem Schatten und aus dem Schweigen heraus, um ihre schreckliche Geschichte zu erzählen. Um der Welt zu zeigen, dass sie nicht das «Gemüse» ist, für das sie manche hielten, sondern dass sie eine intelligente Frau ist. Seit über einem Jahr hat sie unter grossen Anstrengungen einen Text verfasst, um über ihre Situation zu berichten.

Es beginnt so: «Mein Name ist Floriane Willemin und ich habe viel Zeit im Krankenhaus verbracht. Ich möchte einen Artikel über diese Zeit schreiben. Ich werde versuchen, Sie an all den Tagen teilhaben zu lassen, an denen ich mich schämte und nicht verstanden wurde.» Präzise Erinnerungen an den Unfall und ihr Erwachen: «Ich erwachte aus dem Koma und konnte nicht mehr sprechen. Ich atmete durch einen Luftschlauch und wurde intravenös ernährt. In diesem Moment hat für mich die Welt aufgehört, sich zu drehen.»

Auch für ihr Umfeld hört die Welt auf, sich zu drehen. «Es ist ein Drama für meine Familie und die Familie meines Liebsten», der sie regelmässig besucht. Ein Drama, das sich zu einem Albtraum entwickelt. Floriane, die einen Arm heben und ihren rechten Daumen unmerklich bewegen kann, ist nicht in der Lage zu kommunizieren: «Ich bin noch nicht tot, ich habe ein Problem mit meinem Gehirn und ich weiss nicht, ob ich wieder gesund werde. Mir ist klar geworden, dass ich am Leben bleiben werde und mich nicht mehr bewegen kann. Ich frage mich, ob die Ärzte es schaffen werden, ein Wunder zu vollbringen.» Ein Wunder wird es nicht geben. Floriane's Bemühungen bleiben erfolglos. «Ich sagte mir, dass ich versuchen werde, zu zeigen, dass ich genauso intelligent bin wie früher. Ich habe Probleme, darauf hinzuweisen, dass ich bei vollem Bewusstsein bin.» Die Mediziner nehmen nicht wahr, dass sie wach ist. Sie erlebt düstere Tage. «Für den Arzt im Krankenhaus bin ich ein Gemüse! Für sie alle liege ich immer noch im Koma und bin am Ende. Das ist nicht wahr! Ich werde für meine Familie kämpfen, die zusammenhält und die ich liebe.»

Die Hilflosigkeit, sich bemerkbar zu machen, ist schwer zu ertragen. «Ich bin wütend auf die Krankenschwestern, weil sie nicht sehen, wer ich bin.» Als sie im September 1993 in ein Heim im Jura eingewiesen wird, hat dies einen bitteren Nachgeschmack: «Ich glaube, eine Krankenschwester benutzt mich als Forschungsobjekt. Sie ist gemein.» Nachdem sie monatelang in ihrem Bett gelegen und nur die Decke ihres Zimmers als Horizont gesehen hatte, ermöglichte ihr ein Aufenthalt in der REHAB, der Spezialklinik für neurologische Rehabilitation und Paraplegie in Basel, körperliche Fortschritte zu mache. Nach ihrer Rückkehr in den Jura im Juli 1995 wurde sie in das Krankenhaus von Porrentruy eingewiesen und wechselte von der Ernährung über eine Magensonde zur normalen Ernährung. «Jahrelang habe ich nichts anderes getan, als zu signalisieren, dass ich noch da bin. Ich habe über fünf Jahre lang aktiv versucht zu kommunizieren, aber ich habe keine Hilfe erhalten, also habe ich es aufgegeben.»

© Dieser Artikel wird mit der Genehmigung der Editions D+P SA, der Verlagsgesellschaft des Quotidien Jurassien, 3. Oktober 2022, veröffentlicht.